Mittwoch, 24. April 2013

Vitamin B12 - Teil 2 (Dosierung und Art)

In Teil 1 zum Thema Vitamin B12 hatte ich beschrieben, warum man bei veganer Ernährung B12 supplementieren muss und warum das keine Schande, geschweige denn ein Argument gegen eine vegane Ernährung ist.

Hier in Teil 2 möchte ich nun etwas zu meinen Erfahrungen mit verschiedenen Dosierungen und Arten von Cobalamin (also Vitamin B12) schreiben. Da glücklicherweise das Thema B12 von den guten Informationsquellen zu veganer Ernährung besondere Beachtung bekommt (z.B. beim Vegetarierbund Deutschland unter https://www.vebu.de/gesundheit/naehrstoffe/vitamin-b12), war ich mir der Notwendigkeit der Supplementierung gleich mit dem Einstieg in die vegane Ernährung sehr bewusst. Daher kaufte ich mir die Veg-1-Tabletten, die nach den Vorgaben der englischen Vegan Society entwickelt wurden und außer B12 gleich noch ein paar andere, unter Umständen kritische Nährstoffe wie Vitamin D, Jod und Selen enthalten. Jeden Tag kaute ich gewissenhaft eine Tablette und fühlte mich auf der sicheren Seite, sagte doch die Beschriftung des Veg-1-Döschens, dass eine Tablette mit 10 Mikrogramm Vitamin B12 den Tagesbedarf zu sage und schreibe 1000 Prozent decke.

Etwa drei Monate nach meinem Umstieg auf eine vegane Ernährungsweise ließ ich mir dann von meinem Arzt Blut abnehmen und ins Labor schicken. Da ich ihn über meine Ernährung informiert und ausdrücklich darum gebeten hatte, ließ er auch meinen Serum-B12-Spiegel mit ermitteln. Das Ergebnis war ein schöner mittlerer Wert von 511 Nanogramm pro Liter. (Der Normbereich beginnt mit 211 und endet mit 911 Nanogramm pro Liter) Ein halbes Jahr später, also nach etwa 9 Monaten veganer Ernährung, ging ich für ein zweites Blutbild wieder hin und bat diesmal außer um die Bestimmung des Serum-B12-Spiegels auch um die des Homocystein-Spiegels. Inzwischen hatte ich nämlich wieder dazugelernt und erfahren, dass der B12-Spiegel alleine nicht allzu aussagekräftig ist, da bei seiner Ermittlung auch im Blut eventuell mitschwimmendes, biologisch nicht aktives B12 mit erfasst wird. (Ein niedriger Wert deutet somit zwar auf einen Mangel hin, ein guter reicht aber umgekehrt noch nicht zur vollständigen Entwarnung. Wenn es also Hinweise für einen B12-Mangel gibt, sollte auch das Homocystein oder noch besser die Methylmyalonsäure -MMA- mitgemessen werden, die beide bei einem B12-Mangel ansteigen. MMA ist besser, weil sie anders als Homocystein nicht auch durch einen B6- oder Folsäure-Mangel erhöht sein kann. Neuerdings lässt sich sogar das Holo-TC bestimmen, dass eine direkte Aussage über die Versorgung mit biologisch aktivem B12 erlaubt. Die Kosten für die Bestimmung dieses Werts werden aber von der Krankenkasse -noch- nicht übernommen.) Dann das unschöne Ergebnis der neuen Messung: Der Vitamin-B12-Spiegel lag mit 324 Nanogramm pro Liter nur noch im unteren Normbereich und der Homocystein-Spiegel mit 12,8 Mikromol pro Liter sogar etwas über der oberen Grenze des Normbereichs von 12 Mikromol pro Liter. Wie konnte das bei einer Supplementierung, die beim zehnfachen des Bedarfs liegt, sein? Andreas Grabolle, der Autor des Buches "Kein Fleisch macht glücklich", schildert darin übrigens eine ganz ähnliche Erfahrung mit den Veg-1-Tabletten.

Ehe ich mich mit der Lösung dieses Rätsels näher befassen konnte, stand erst mal die erste USA-Reise meines Lebens an. (Unter anderem um einen guten, alten amerikanischen Freund aus Studientagen zu besuchen.) Dort entdeckte ich in einem der legendären, riesigen "Whole Foods"-Biosupermärkte im Regal für Supplemente lauter Cobalamin-Präparate, die nach Packungsangaben pro Tablette mindestens 1000 Mikrogramm Vitamin B12 enthielten. Mein erster Gedanke: Typisch amerikanisch - Genauso wie die Maxime "Big is beautiful" gilt hier offenbar auch die Devise "Viel hilft viel". Ich nahm dann trotzdem mal zwei dieser Präparate mit, wusste ich doch nun bereits, dass das B12 im Veg 1 bei mir offenbar nicht den gewünschten Effekt zeitigte. Die schiere Vielzahl der Präparate machte die Auswahl extrem schwierig: Einige warben mit einer leichten, "sublingualen" Darreichungsform, andere damit, dass sie Methylcobalamin statt Cyanocobalamin enthielten. Zudem reichten die pro Tablette enthaltenen Cobalamin-Mengen von 1000 Mikrogramm bis zu 5000 Mikrogramm. Leider stellte ich erst später fest, dass eines der von mir ausgewählten Präparate nicht einmal vegan war, sondern Milchbestandteile enthielt.

Wieder zuhause, verbrauchte ich noch den Rest meiner Veg-1-Tabletten und stieg dann auf das erste mitgebrachte Hochdosispräparat um. (Das in Veg-1 ebenfalls enthaltene Vitamin D begann ich passend zum Herbstbeginn separat mit Sterogyl-Tropfen zu supplementieren. Die in Veg-1 enthaltenenen Mengen sind nach allen neueren Erkenntnissen sowieso auch viel zu gering. Vitamin D ist aber ein eigenes Thema, zu dem ich noch einmal einen eigenen Beitrag schreiben werde.) Durch weitere Recherche fand ich dann heraus, dass der Körper Vitamin B12 auf zwei verschiedene Arten aufnehmen kann. Zur effizienten Aufnahme geringer Mengen, wie sie in in Veg 1 enthalten sind, benötigt er den sogenannten Intrinsischen Faktor. Es gibt aber auch einen weiteren, sehr ineffizienten Weg, bei dem ein Bruchteil der zugeführten Menge auch ohne diesen Intrinsischen Faktor aufgenommen werden kann. Entsprechend muss jedoch bei diesem Weg ein Vielfaches dessen zugeführt werden, was der Körper eigentlich benötigt. Die Überdosierung ist im Normalfall kein Problem: B12 ist ein wasserlösliches Vitamin und was nicht vom Körper verwertet werden kann, wird einfach wieder ausgeschieden. Sehr schön erklärt Dr. John McDougall dass -auf Englisch- hier: http://drmcdougall.com/misc/2007nl/nov/b12.htm.

Nun ist es wohl so, dass die effiziente Aufnahme über den Intrinsischen Faktor nicht bei allen Menschen gleich gut funktioniert, da nicht alle genug davon haben. In solchen Fällen empfiehlt sich daher die Aufnahme über die hohen Dosen, wie sie in meinen aus den USA mitgebrachten Präparaten enthalten waren. Dafür reicht es dann auch, ein- bis zweimal pro Woche eine solche Dosis aufzunehmen. Ob bei mir auch so ein Problem mit dem Intrinsischen Faktor vorlag? Dagegen spricht eigentlich, dass mein Vitamin-B12-Spiegel bei der ersten Messung ja noch ganz okay war. Da ich über die Nahrung schon vorher nicht allzu viel B12 zugeführt haben konnte (ich habe auch schon zu meinen Allesfresser-Zeiten nie besonders viele Nahrungsmittel tierischer Herkunft verzehrt), hätte bei mir schon anfangs ein Vitamin-B12-Mangel erkennbar sein müssen, wenn meine körpereigenen Aufnahmemechanismen gestört gewesen wären. Die wohl naheliegendere Möglichkeit ist, dass das in den Veg-1-Tabletten enthaltene Cyanocobalamin aus welchen Gründen auch immer (z.B. herstellungs- oder lagerungsbedingt) nicht so funktioniert wie es soll. (Für diese Variante spricht auch, dass es mit den Veg-1-Tabletten -siehe oben- nicht nur mir so ging.)

Außer Veg-1 gibt es aber praktisch nur hochdosierte B12-Präparate. Natürlich kann man sie auch dann nehmen, wenn auch die Aufnahme sehr kleiner Mengen über den Intrinsischen Faktor funktioniert. Ein Vorteil der Hochdosis-Präparate liegt aber wie erwähnt auch darin, dass man sie nur ein- bis zweimal die Woche einzunehmen braucht.

Und was ist nun mit der Art von B12? Es gibt nämlich hauptsächlich zwei Arten von biologisch aktivem Cobalamin, die in Supplementen Verwendung finden können: Die eine ist Cyanocobalamin, die andere Methylcobalamin.

Cyanocobalamin ist das synthetische, leicht zu produzierende Cobalamin, das in der Natur normalerweise nicht vorkommt. Andererseits ist es bestens erforscht und überdies wohl auch sehr stabil. Manche Menschen machen sich Gedanken über das "Cyano" in Cyanocobalamin, doch diese Sorge ist unbegründet, da der Cyanidanteil dieser Cobalamin-Moleküle zwar abgespalten, dann aber über entsprechende Enzyme auch sogleich neutralisiert wird. Insgesamt muss der Körper bei der Einnahme von Cynanocobalamin (in den üblichen hohen Dosen) nicht mehr Cyanid entsorgen als z.B. bei Leinsamen, die ja ebenfalls unbedenklich sind. (Lediglich wenn man an Leberscher Optikusatrophie leidet, darf man kein Cyanocobalamin zu sich nehmen. Und bei einer Cobalt-Allergie sollte man in jedem Fall mit seinem Arzt sprechen, bevor man irgendeine Art von Cobalamin supplementiert, da Cobalt das Zentralatom in jeder Cobalamin-Verbindung darstellt.)

Methylcobalamin hingegen ist die Form, die der auch von Darmbakterien erzeugten Art von Cobalamin entspricht. Sie kommt damit eher an das "Original" heran. Andererseits ist sie in der synthetischen, oral eingenommenen Variante kaum erforscht und kann außerdem noch durch den Einfluss von Licht zerfallen. (Weshalb sie immer in lichtdichten Verpackungen ausgeliefert wird.)

Welche Variante man nimmt, scheint eher eine religiöse Frage zu sein: Man kann im Internet seitenlange Diskussionsstränge finden, in denen die eine Variante zur einzig wahren erklärt und die jeweils andere verdammt wird. Offenbar besteht aber nach Methylcobalamin eine höhere Nachfrage, denn dafür findet man im Internet inzwischen wesentlich mehr Präparate und Bezugsquellen als für Cyanocobalamin. Preislich ist kein wesentlicher Unterschied mehr festzustellen. (Also ist wohl auch die Herstellung von Methylcobalamin inzwischen einfacher geworden.)

Da ich nun ohnehin nur noch zweimal die Woche eine dafür hohe Dosis einnehme, habe ich das Problem für mich ganz einfach gelöst: Dienstags 2000 Mikrogramm Cyanocobalamin, samstags 5000 Mikrogramm Methylcobalamin. Meine neueren Serum-B12-Werte haben bestätigt, dass das prima funktioniert, denn nun lagen sie immer wieder in einem wünschenswerten mittleren Bereich. Ein weiterer Vorteil dieser Art der Dosierung ist, dass man sich nicht mit allen möglichen Methoden der Dosisoptimierung herumschlagen muss, wie sie im Internet zu finden sind. (Z.B. unter dem Stichwort "Pipettemethode".) Bei den geringen Preisen aktueller Hochdosispräparate machen diese Methoden eigentlich nur Arbeit, sind bei Aufnahmeproblemen eher weniger sicher und bringen auch monetär keinen nennenswerten Vorteil. (Meine Jahresdosis von 100 Tabletten Cyanocobalamin von Health Aid und 60 Tabletten Methylcobalamin von Vitabay kostet insgesamt ca. 40 Euro, d.h. ich komme auf etwas über einen Euro-Cent pro Tag.)

Egal wie man sich entscheidet, würde ich aufgrund meiner eigenen Erfahrungen dazu raten, gelegentlich beim Arzt einen Test für das Serum-Cobalamin machen zu lassen, und so zumindest einen Anhaltspunkt dafür zu gewinnen, ob die gewählte Art und Dosierung bei einem selbst funktioniert. Als Veganköstler hat man den Vorteil, dass dieser Test (aber leider auch nur dieser) von der Krankenkasse bezahlt wird. (Zumindest kann der Arzt ihn dann als indiziert auf Krankenkassenkosten verrechnen lassen.) Wenn man ganz auf Nummer sicher gehen will und es sich leisten kann, kann man z.B. für ca. 20 Euro aus eigener Tasche zusätzlich noch einen Homocystein- oder MMA-Test anfordern und darüber einen B12-Mangel ganz zuverlässig ausschließen.