Dienstag, 1. Januar 2013

Wie ich zu einem Wohlernährungs-Veggie wurde

Hauke Dressel - ein WohlernährungsveggieNach der Lektüre von Karin Duves Buch "Anständig Essen" Ende 2010 stieg ich, Hauke Dressel, Jahrgang 1967, von einer Woche auf die andere aus ethischen Gründen von einer flexitarischen, d.h. überwiegend ovo-lacto-"vegetarischen" Ernährung mit ziemlich seltenem Konsum von Tierleichenteilen auf eine konsequent vegetarische, d.h. vegane Ernährung um. Dass auch für die Produktion von Eiern und Milch Tiere getötet bzw. turbogemästet und dann getötet werden, hatte ich bis dahin irgendwie noch erfolgreich ignoriert. Nach dem Lesen dieses Buches ging das aber nicht mehr. (Ich hörte übrigens gleichzeitig auch auf, Kleidung mit Leder oder Wolle zu kaufen und begann, mich nach entsprechenden Alternativen umzusehen. Nachdem ich z.B. die schönen, extrem langlebigen und pflegeleichten Schuhe und Gürtel der Firma "Vegetarian Shoes" für mich entdeckt hatte, konnte ich überhaupt nicht mehr verstehen, wieso man überhaupt noch Schuhe und Gürtel aus Leder produziert.)

Die schädlichen Folgen der "Produktion" tierischer Lebensmittel für die Welternährung und die Ökologie einschließlich des Weltklimas will ich hier gar nicht erst erwähnen, das kann man im Internet und in zahlreichen Büchern mittlerweile alles nachlesen. Besonders gut übrigens im neuen Buch "Kein Fleisch macht glücklich" von Andreas Grabolle. (Später werde ich mich hier aber noch einmal eingehender mit dem Thema Ethik befassen.)

Dabei war es anfänglich noch mein Bestreben, für alle meine gewohnten Lebensmittel einen entsprechenden "Ersatz" zu finden. Ich wollte meinem Umfeld und mir beweisen, dass bei einer veganen Ernährung keinerlei ernsthafter Verzicht notwendig ist und man vom Salami-ähnlichen Würstchen, über Käsiges bis zur Schwarzwälder Kirschtorte auch alles in rein pflanzlicher Form kaufen oder selbst herstellen kann. (Was in der Tat der Fall ist.) Gleichzeitig begann ich aber auch, mich wesentlich stärker mit dem Thema Ernährung zu beschäftigen - schließlich wollte ich ja wissen, ob mir durch meine neue, von vielen Mitmenschen immer noch als "extrem" angesehene Ernährungsweise irgendwelche schlimmen Mangelerscheinungen drohten. (Die dabei gewonnenen Erkenntnisse möchte ich später gerne ebenfalls hier mit anderen Veganern und Veganköstlern teilen. Hier nur schon mal soviel: Vitamin B12 auf jeden Fall in genügend hoher Dosis supplementieren! Alles andere ist nachrangig. Die ausreichende Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren, Vitamin D und Jod lässt sich auch wunderbar ohne Lebensmittel tierischen Ursprungs sicherstellen.)

Es war von Anfang an ein tolles Gefühl, nun mit meinem Essen kein Tierleid mehr zu verursachen. Allein das nahm eine große Last von mir und ließ mich von da an wesentlich unbeschwerter durch das Leben gehen.

Nach ca. 9 Monaten veganer Ernährung ging es mir auch vom Körpergefühl besser als zu meinen omnivoren Zeiten. Unter anderem waren die Tiefs nach den Mittagspausen wesentlich kürzer und flacher als zu den Zeiten, in denen ich noch das mit tierischen Fetten und Eiweißen befrachtete Kantinenessen "genossen" hatte. Ich hatte bei 180 cm Körpergröße von ca. 73 kg auf etwa 71 kg abgenommen. Die Verdauung hatte sich beschleunigt und ich hatte nur noch ein einziges Mal ein Problem mit dem abendlichen Einschlafen. (Wobei die Einschlafprobleme schon vorher dank regelmäßiger Yoga-Praxis recht selten geworden waren.)

Zur Sicherheit ließ ich jedoch beim Arzt einen Bluttest machen und stellte entäuscht fest, dass -obwohl soweit alles in Ordnung war- meine Cholesterinwerte sich trotz meiner rein pflanzlichen und damit ja auch cholesterinfreien Ernährung und trotz der mäßigen Gewichtsabnahme sogar noch erhöht hatten. (Sie lagen zwar immer noch klar unter 200 mg/dL, was von den meisten Ärzten fälschlicherweise als harmlos angesehen wird, aber deutlich über dem Wert von 150 mg/dL, der für die meisten Menschen die tatsächliche Schwelle zwischen dem risikolosen und dem risikoträchtigen Bereich in Bezug auf kardiovaskuläre Krankheiten wie z.B. Herzinfarkt markiert.)

Noch ein paar Monate und Bücher später war mir dann auch klar warum: Unter anderem hatte ich das Buch "The China Study" von Prof. T. Colin Campbell gelesen, in der dieser den Zusammenhang zwischen dem Konsum tierischer Eiweiße und Fette und zahlreichen Zivilisationskrankheiten wie Herzinfarkt, Diabetes II und einzelnen Krebsarten deutlich belegt. (Einem verbreiteten Internet-Mythos zufolge wurde "The China Study" von einer bloggenden Studentin namens Denise Minger widerlegt. Diese vermeintliche Widerlegung ignoriert aber sowohl weite Teile des Buches selbst als auch die analytischen Methoden epidemiologischer Forschung, die weit über die als Regressionsanalyse bekannte reine Zahlenspielerei hinausgehen. Zwar gibt es auch einige gültige Einwände gegen manche Schlussfolgerungen im Buch, das selbst nicht den Rang einer wissenschaftlichen Veröffentlichung beansprucht. Der erwähnte Zusammenhang zwischen dem Konsum tierischer Lebensmittel und den erwähnten Zivilisationskrankheiten bleibt aber trotz solcher Einwände  gut belegt. Mehr dazu später.)

Tierische Eiweisse und Fette hatte ich ja aber schon monatelang nicht mehr zu mir genommen. Die konnten also bei mir nicht die Ursache für meinen höheren Cholesterinspiegel und das damit einhergehende höhere Herzinfarktrisiko gewesen sein.

Jedoch hatte schon T. Colin Campbell in seinem Buch der üblichen tierproduktlastigen westlichen Ernährung nicht einfach eine beliebige tierproduktfreie Ernährung, sondern eine vollwertige, pflanzenbasierte Ernährung ("whole-foods, plant-based diet") entgegengestellt. So wäre z.B. eine Ernährung, die alle drei Tage pflanzliche Bratwurst mit Fritten und Ketchup sowie dann noch ein Stück vegane Torte einschließt, zwar wohl vegan, aber auch alles andere als vollwertig und der Gesundheit kaum förderlich. Merke: Vegane Ernährung ist nicht per se gesundheitsschädlich oder gesundheitsförderlich. Jedoch ist eine vollwertige, vielseitige und ausgewogene pflanzliche Ernährung bei Beachtung einiger Punkte die beste, die man sich und seinem Körper angedeihen lassen kann. (Übrigens hat jeder Supermarkt eine große vollwertige Vegan-Abteilung: Es ist die Obst- und Gemüseabteilung. Weitere vollwertige Vegan-Produkte, die es in den hinteren Regalen eines jedes Lebensmittelgeschäftes gibt, sind Vollkornmehl, Vollkorn-Hartweizengries-Nudeln, Naturreis, Haferflocken sowie Bohnen, Erbsen und Linsen.)

Über T. Colin Campbells Buch bin ich dann auf das Buch "Prevent an Reverse Heart Disease" von Dr. Caldwell B. Esselstyn gestoßen, in dem dieser schildert, wie er als ehemaliger Chirurg an der renommierten Cleveland Clinic über einem Dutzend schwer kranker und von den Kardiologen-Kollegen schon "austherapierter" Herzpatienten ein  neues Leben schenken konnte, indem er sie lediglich mit cholesterinsenkenden Statinen und einer pflanzlichen, ölfreien Ernährung therapierte. Pflanzenöle, mit denen viele vegane "Ersatzprodukte" nur so vollgestopft sind, zählen entgegen landläufiger Meinung nämlich nicht zu einer gesundheitsförderlichen pflanzlichen Ernährung. Auch nicht Oliven- oder Rapsöl. Sie sind ebenso wie Zucker und weißes Mehl hochkonzentrierte Träger fast leerer Kalorien, aus denen die meisten wertvollen Vitalstoffe der pflanzlichen Ausgangsprodukte wie z.B. Pflanzenfaserstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe entfernt wurden. In Bezug auf ihre Auswirkungen auf den Körper, nämlich Entzündungen der Endothelschicht der Arterien, Anstieg des Blutcholesterins und in der Folge Plaquebildung mit dem sich graduell immer weiter steigernden Risiko eines Herzinfarktes, übertreffen Öle in ihrer Schädlichkeit Zucker und weißes Mehl sogar noch bei weitem.  Außer über die Erhöhung des Cholesterinwertes die Arteriosklerose zu befördern, behindern sie auch die Produktion der für die Arterien guten und schützenden Substanz Stickstoffmonoxid. Manche dieser Mechanismen wurden erst ab den 1980er-Jahren verstanden, so dass frühere Konzepte einer vollwertigen Ernährung dies noch nicht berücksichtigen konnten und oftmals Pflanzenöle erlaubt haben. Drei der Entdecker der Bedeutung von Stickstoffmonoxid für die Arterien erhielten dafür übrigens im Jahr 1998 den Nobelpreis für Medizin.

Der Mythos vom gesunden Olivenöl ist das Ergebnis einer unzulässigen Verkürzung einzelner Studien zur sogenannten mediterranen Ernährung. Diese Studien konnten zwar einen gesundheitlichen Vorteil der "Mittelmeerdiät" gegenüber der mitteleuropäischen und nordamerikanischen Ernährungsweise belegen - jedoch beruhte dieser auf einem hohen Anteil an Gemüse und war nicht wegen, sondern trotz des mäßigen Konsums von Pflanzenölen noch signifikant nachweisbar.

Und um gleich dem üblichen Einwand entgegenzukommen, wonach der Körper doch Fett brauche: Ja, er benötigt die essentiellen Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren, da er sie nicht selbst produzieren kann. Wie ich in einem späteren Post ausführen werde, kann man den Bedarf an diesen Fettsäuren ganz ohne Pflanzenöle, z.B. über Leinsamen, decken.
 
Wie spektakulär Dr. Esselstyns Behandlungserfolge bei seinen Patienten waren, kann man nur würdigen, wenn man weiß, dass die Behandlung von Herzpatienten mit Statinen und gleichzeitiger moderater Anpassung der Ernährung durchaus Standard ist,  einen weiteren degenerativen Verlauf ihrer Krankheiten aber üblicherweise nicht aufhalten kann. Diese Patienten benötigen in aller Regel bald weitere Operationen zum Einsetzen von Bypassen oder Stents und früher oder später ereilt sie meist doch der Herztod. (So erging es der Handvoll von Esselstyns Patienten, die seine sanfte Therapie abbrachen, da sie den Verzicht auf tierische Nahrungsmittel und auf Öle für sich als zu extrem empfanden.)

Nun mögen Sie denken: Schön und gut, aber da ging es doch offensichtlich um schwer kranke Herzpatienten, nicht Menschen wie Sie oder mich, die in dieser Hinsicht gar keinen Befund haben. Falsch: Wie Esselstyn in seinem Buch klar macht, ist jeder, der ein paar Jahrzehnte unserer typischen westlichen, cholesterintreibenden Ernährungsweise hinter sich hat und sie fortführt, unwissentlich ein Herzpatient oder eine Herzpatientin im Wartestand, denn jeder Mensch bekommt bei dieser Ernährung eine fortschreitende Arteriosklerose, die bei der fortgesetzten Aufnahme von tierischen oder extrahierten pflanzlichen Fetten jederzeit einen Herzinfarkt oder einen ischämischen Schlaganfall auslösen kann. Für fast die Hälfte aller Menschen mit einer koronaren Herzerkrankung ist der plötzliche Herztod das erste, leider auch das letzte Warnsignal.

Hier kommt nun wieder der Bezug zur China-Study: In Regionen der Erde, in denen eine pflanzenbasierte Ernährung mit einem allenfalls sehr geringen Anteil an Lebensmitteln tierischer Herkunft und/oder extrahierter Pflanzenöle der Standard ist, wie eben in den ländlichen Regionen Chinas zur Zeit der Erstellung der entsprechenden Studien, waren Cholesterinwerte von 150 mg/dL eher die Obergrenze und Herzinfarkte kamen dort praktisch nicht vor. Hierzulande nehmen wir es hingegen als vom Schicksal gegeben hin, dass Menschen ab ihrer Lebensmitte von einem Tag auf den anderen durch einen Herzinfarkt aus ihrem Leben und Schaffen gerissen werden können. Man denke z.B. an den Kabarettisten Matthias Beltz, den Schauspieler Günther Kaufmann, den Fernsehimmobilienmakler Thorsten Schlösser, den Filmroduzenten Bernd Eichinger und zuletzt aus der Politik Ex-Kriegsminister Peter Struck sowie Thomas Schäuble, den Bruder des Finanzministers Wolfgang Schäuble. (Beim Bühnen- und TV-Star Dirk Bach wurde die genaue Todesursache ja nicht einmal mehr ermittelt, aber auch bei ihm lautete der Verdacht auf plötzlichen Herztod.) Andere wie Ex-Umweltminister und Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin haben einen Herzinfarkt zwar überlebt, müssen aber wohl mit der ständigen Angst vor dem jeweils nächsten leben. Bzw. sie müssten es eigentlich nicht und könnten es wie der Ex-Präsident der USA und spätere Herzpatient Bill Clinton machen:

Durch den Umstieg auf eine vollwertige, rein pflanzliche Ernährung ohne Öle (d.h. auch ohne Margarine oder sonstige mit Öl hergestellte Produkte) ist man nämlich bereits nach zwei Wochen vor einem tödlichen Herzinfarkt geschützt - unabhängig von sonstigen Lebensstilfaktoren und Erbanlagen. Howard F. Lyman, der Autor von "Mad Cowboy", hat den daraus folgenden Gedanken formuliert: Fast die Hälfte aller Menschen, die heute in einem westlichen Land sterben, hätte noch bis vor drei Wochen durch eine bloße Verhaltensänderung einen späteren Termin mit dem Sensenmann vereinbaren können
Außer bei einer besonderen genetischen Disposition zu generell erhöhten Cholesterinwerten (Hyperlipidämie) sinkt bereits nach dieser Zeit der Gesamtcholesterinwert unter 150 mg/dL. (Menschen mit der besagten genetischen Disposition behalten zwar höhere Cholesterinwerte, erhalten aber dennoch den Schutz vor Herzinfarkt.)

Der Schutz vor Herzinfarkt durch einen ernährungsbedingt niedrigen Cholesterinwert unter 150 mg/dL ist unter anderem durch die Framingham-Herz-Studie belegt, die wichtigste epidemiologische Studie in den USA. Sie diente und dient der Identifizierung von Risiken für koronare Herzkrankheiten und Arteriosklerose. 1948 begann sie mit über 5000 Teilnehmern aus der Stadt Framingham und erstreckte sich über mehrere Jahrzehnte. Ihr langjähriger medizinischer Leiter, Dr. William Castelli, stellte fest:
Wir haben in 35 Jahren in Framingham nie einen Herzinfarkt bei jemandem gehabt, der einen Cholesterin-Wert unter 150 hatte. Dreiviertel der Menschen, die das Anlitz der Erde bevölkern, haben nie einen Herzinfarkt. Sie leben in Asien, Afrika und Südamerika, und ihre Cholesterinwerte liegen alle um die 150.
Hingegen hatten über 30 Prozent aller Studienteilnehmer, die im Untersuchungszeitraum einen Herzinfarkt erlitten, einen Cholesterinwert zwischen 150 und 200! Und obwohl kardiovaskuläre Erkrankungen (unter anderem Herzinfarkte und Schlaganfälle) mit 42% hierzulande immer noch die Todesursache Nummer 1 sind, wird ein Cholesterinwert von unter 200 von den meisten Ärzten als sicher eingestuft. Wie falsch diese Entwarnung ist, führt Castelli in diesem Interview in aller Deutlichkeit aus. (Kleiner Exkurs: Das Argument zugunsten eines Cholesterinwertes unter 150 mg/dL würde natürlich zerfallen, wenn dieser das Risikos für einen Herzinfarkt zwar senken, gleichzeitig aber andere, größere Gesundheitsrisiken erzeugen würde. Tatsächlich scheint nach mehreren Studien das Risiko für einen hämorrhagischen Schlaganfall, d.h. eine Einblutung in das Gehirn, leicht zu steigen, wenn der Cholesterinwert sinkt. Das ist jedoch nur eine Korrelation zwischen zwei Variablen, die andere Variablen außer acht lässt. Denn das Risiko für einen hämorrhagischen Schlaganfall sinkt wiederum sehr stark, wenn der Blutdruck sinkt, was wiederum mit einer vollwertigen pflanzenbasierten Kost leicht erreicht werden kann. Insbesondere Hülsenfrüchte helfen sehr stark, den Blutdruck zu senken, während z.B. rotes Fleisch ihn erwiesenermaßen erhöht. Auch kommt eine Meta-Studie zu dem Ergebnis, dass ein hoher Konsum von Obst und Gemüse das Risiko sowohl für einen ischämischen als auch für einen hämorrhagischen Schlaganfall senkt. [He FJ, Nowson CA, MacGregor GA.: Fruit and vegetable consumption and stroke: meta-analysis of cohort studies. He FJ, Nowson CA, MacGregor GA., Lancet. 2006 Jan 28;367(9507):320-6.]. An diesem Beispiel erkennt man auch schön, dass eine Fokussierung auf einzelne Faktoren leicht in die Irre führt. Die negative Korrelation zwischen Blutcholesterin und dem Risiko für hämorrhagischen Schlaganfall bedeutet keineswegs, dass ein hohe Blutcholesterinwerte erstrebenswert sind.)

Nachdem ich dies nun wusste, strich ich auch noch sämtliche ölhaltigen Veganprodukte und Gerichte von meinem Speiseplan. Damit war nun auf jeden Fall immer selber kochen angezeigt, denn wie erwähnt enthalten auch die meisten veganen "Ersatz"- oder Convenience-Produkte irgendeine Art von Pflanzenöl als Zutat. Für mich, der ich erst seit meinem Umstieg auf die vegane Ernährung überhaupt begonnen hatte, gelegentlich auch mal aufwändiger zu kochen, war dies schon eine ziemliche Umstellung. Aber wenn einem das eigene Leben diesen Aufwand nicht wert ist, was sollte es dann sonst sein?

Bestärkt wurde ich darin durch die Lektüre von "Eat to Live" von Dr. Joel Fuhrman, der den Gesundheitswert von Lebensmitteln nach dem Gehalt von Mikronährstoffen pro Kalorie beurteilt und auf dieser Basis ebenfalls zu der Empfehlung für eine vollwertige, pflanzenbasierte Ernährung ohne Pflanzenöle kommt. (Nach diesem Maßstab ist übrigens Grünkohl der König der Lebensmittel. Tierische Lebensmittel wie Fleisch, Käse und sonstige Milchprodukte rangieren da sehr weit unten.)

Auch Dr. John McDougall rät in seinem Buch "The McDougall Program" zu einer vollwertigen, pflanzlichen Ernährung ohne Pflanzenöle. Dr. McDougall betont den Wert von stärkehaltigen Lebensmitteln wie Kartoffeln und Vollkorngetreide. Entgegen der Low-Carb-Hysterie machen die komplexen Kohlehydrate in diesen Lebensmitteln nämlich nicht fett. Man müsste schon drei Kilo Kartoffeln essen, um seinen Tagesbedarf an Nahrungsenergie abzudecken. Vorher wäre man natürlich schon längst satt. (Sobald man Butter, Öl oder Margarine über die Kartoffeln gibt, trifft das aber schon nicht mehr zu.)

Dr. Joel Fuhrman und Dr. McDougall machten mir mit ihren Büchern endgültig klar, dass man mit einer vielfältigen und vollwertigen pflanzlichen Ernährung außer dem Schutz vor Herzinfarkt noch viele andere gesundheitliche Vorteile erlangen kann. So hilft z.B. der Verzicht auf Milchprodukte bei Männern nachgewiesenermaßen, das Risiko für Prostatakrebs zu senken. Alle angeblich für die Gesundheit so wichtigen Bestandteile der Kuhmilch kann man entweder problemlos auch aus pflanzlichen Lebensmitteln beziehen (Proteine, Kalzium, Jod) bzw. im Falle von Vitamin B12 supplementieren, ohne die ganzen risikobehafteten Bestandteile wie das Milcheiweiß Kasein, gesättigte Fettsäuren, Milchzucker, IGF-1 und Antibiotika- sowie Dioxinrückstände mit essen oder trinken zu müssen.

Die Ernährungsempfehlungen dieser Männer sind keine esoterische Spinnerei oder romantische Naturverklärung, sie sind ganz im Gegenteil evidenzbasiert, d.h. sie beruhen auf heutigen, ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen. Joel Fuhrman nennt Menschen, die ihre Ernährung diesen Erkenntnissen anpassen "nutritarians", was ich für mich mit "Wohlernährer" übersetzen würde. Da diese "Wohlernährung" zudem den Konsum von Lebensmitteln tierischer Herkunft ausschließt, bezeichne ich mich als "Wohlernährungs-Veggie".

Inzwischen gibt es zu dieser Ernährungsweise sogar schon einen Film: "Gabel statt Skalpell" - im englischen Original "Forks Over Knives". Er fasst alle Aspekte des Themas in einer auch für Laien gut nachvollziehbaren Weise zusammen, hier können Sie den Trailer sehen:


Aber wie ließ sich diese Ernährungsweise in der Praxis umsetzen? Wie bei den oben erwähnten veganen Fertigprodukten gehört auch bei den meisten im Internet und in Vegankochbüchern erhältlichen veganen Rezepten Öl meist zur Zutatenliste. Oft dient es dabei aber nur zum Andünsten von Zwiebeln, Knoblauch oder Ingwer. Weiß man erst mal, dass dies genausogut mit Wasser oder Brühe möglich ist, kann man solche Rezepte dennoch gut nutzen.
 
Kochbücher sind aber noch rar und dann immer auf Englisch. (Z.B. das Rezepte-Buch zu besagtem Film, oder auch die ganz hervorragenden Kochbücher von Lindsay S. Nixon, "Happy Herbivore" und "Everyday Happy Herbivore". Zudem enthalten die -ebenfalls nur auf Englisch verfügbaren- Bücher von John und Mary McDougall sowie von Joel Fuhrman eine ganze Reihe von Tipps und Rezepten. Auch zum Film "Forks over Knives" gibt es ein ergänzendes Kochbuch mit vielen leckeren Rezepten.) Vieles musste ich dennoch erst mal austüfteln und teilweise auch erst auf deutsche Verhältnisse übertragen. So sind in den USA offenbar einige Zutaten sowie Obst- und Gemüsearten gängig, die hierzulande weitgehend unbekannt oder nur sehr schwer zu bekommen sind. (Beispielsweise frischer Koriander, auf Englisch "cilantro".) Dafür gibt es hier oft andere Produkte, die stattdessen verwendet werden können. (Statt Koriander beispielsweise Petersilie, englisch "parsley", der hier überall erhältlich ist.)

Nachdem schon der erste Schritt, nämlich der Umstieg auf die vegane Ernährung, zu einer Steigerung meiner Vitalität und einer Senkung meines Gewichts geführt hatte, ging es mit dem zusätzlichen Verzicht auf pflanzliche Öle und alle Lebensmittel, die diese enthalten, sowie mit der drastischen Reduzierung des Konsums von Weißmehl und Kristallzucker erst richtig los: Ich konnte praktisch jeden Tag im Spiegel beobachten, wie wieder etwas von meinem Bauchspeck dahingeschmolzen war. Das ging so rapide, dass ich schon befürchtete, ich müsse irgendwann wieder zu besonders fetthaltigen Lebensmitteln wie Avocados und Erdnüssen greifen, um nicht untergewichtig zu werden. Glücklicherweise war dann bei 67 Kilogramm wieder ein Plateau erreicht, bei dem mein Gewicht stabil blieb. Nun ist mein Bauch so flach, dass sich darunter wieder die Muskulatur abzeichnet.

Nach einigen Wochen war es dann auch mal wieder Zeit für einen umfassenden Bluttest beim Arzt. Und siehe da: Ich hatte einen traumhaften Gesamtcholesterinwert von 136 (HDL: 42, LDL: 76) und war damit nun herzinfarktgeschützt. Auch die anderen Werte wie z.B. die Triglyceride (97) waren alle perfekt, obwohl doch nach den Lehren der Low-Carb-Jünger der hohe Anteil von Kohlenhydraten an meiner Gesamtnahrungsaufnahme mir diese doch hätte versauen müssen. (Der Fehler bei der Low-Carb-Lehre liegt natürlich darin, dass sie nicht zwischen guten komplexen Kohlehydraten einerseits und einfachen Kohlehydraten andererseits unterscheidet, also z.B. stärkehaltige Kartoffeln und frisches Obst über einen Kamm mit Kristallzucker und Maissirup schert.)

Damit war klar: Eine vielfältige und vollwertige pflanzliche, ölfreie, zucker- und weißmehlreduzierte Ernährung tut nicht nur den Tieren, der Umwelt und der Welternährung gut, sondern auch mir selbst. Bei dieser Ernährung werde ich bleiben, auch wenn es mit einem gewissen Aufwand verbunden ist. Aber zum einen lohnt sich dieser Aufwand, und zum anderen ist es auch ein tolles Gefühl, sich aus dem, was die Natur selbst hergibt, wohlschmeckende und nährende Mahlzeiten zubereiten zu können, ohne auf in den Labors der Lebensmittelmultis entwickelte Massenprodukte zurückgreifen zu müssen. Die Einschränkung auf der Seite der "schlechten" Lebensmittel ging auf der anderen Seite mit einer Entdeckung der Vielfalt "guter" Lebensmittel einher, die seitdem meinen Speiseplan abwechslungsreicher machen. So habe ich erst seit meiner Beschäftigung mit dem Thema gelernt, solche Zutaten wie Quinoa, Hirse, Buchweizen, Kichererbsen, Topinambur, Süßkartoffeln, Tempeh oder Shiro-Miso zu verwenden. Heute bereue ich vor allem, mich nicht schon viel früher intensiver mit dem Thema Ernährung auseinandergesetzt und zu dieser Ernährungsweise gefunden zu haben.

Dies ist überhaupt mein Rat an alle, die sich vielleicht auch nur einmal versuchsweise (die positiven Effekte machen sich innerhalb von drei Wochen bemerkbar) auf diese Ernährungsform einlassen möchten: Nutzen Sie die ganze Bandbreite pflanzlicher Lebensmittel. Es gibt in der Gemüseabteilung ihres Supermarktes sicher jede Menge Produkte, mit denen Sie noch nie selber gekocht haben, seien es Steckrüben, Rettich, rohe rote Beete, Schwarzwurzeln, Pak-Choy, Spitzkohl oder sonstiges. Man kann sie auch einfach mal in den Einkaufswagen legen, ohne genau zu wissen, was man damit machen kann. Im Internet kann man dann leicht Rezepte dazu finden, die sich in aller Regel auch veganisieren und "entölen" lassen. Oft ist man überrascht, wie lecker die Ergebnisse sind und wieso man bisher so achtlos an diesen Geschenken der Natur vorbeigegangen ist.

Ich hoffe, in diesem Blog jenen, die sich testweise oder dauerhaft ebenfalls vielfältig und vollwertig pflanzlich ernähren wollen, ein paar nützliche Anregungen und Tipps geben zu können. Ein paar Rezepte für leckere Gerichte sollen natürlich auch nicht fehlen.

Mehr zum Thema: