Donnerstag, 29. Juni 2017

Absolute Channel-Empfehlung: "Vegan ist ungesund"

Aus mir selbst wirklich vollkommen unerfindlichen Gründen bin ich erst vor zwei Tagen auf einen deutschsprachigen YouTube-Kanal gestoßen, den es mindestens schon seit 8 Monaten gibt, und den aus meiner Sicht alle deutschsprachigen Veganerinnen und Veganer sowie Vegan-Interessierte kennen sollten, weil er einfach sagenhaft unterhaltsam ist und zudem gerade für Neulinge auf dem Gebiet "dieses Veganismus" auch noch viele nützliche Informationen liefert. Er nennt sich paradoxerweise "Vegan ist ungesund" und hat schon über 15.000 Abonnenten. Die beiden Macher stellen sich als Gordon und Aljosha vor, wobei wir über Aljosha auch noch erfahren, dass er Mediziner ist.

Möglicherweise ist mir dieser Kanal deshalb so lange entgangen, weil ich normalerweise YouTube-Kanäle schaue, die sich mit veganer und ölfreier Ernährung befassen, von denen die meisten auf Englisch sind. (Hier möchte ich vor allem "Mic. the Vegan" hervorheben, dessen Videos zwar nicht ganz so lustig wie die von Gordon und Aljosha sind, dafür aber noch etwas tiefer in die wissenschaftlichen Details und Hintergründe gehen. Auch recht sympathisch sind Anji und Ryan von "Happy Healthy Vegan".)

Aber zurück zu Gordon und Aljosha von "Vegan ist ungesund": Die meisten Videos der beiden zeichnen sich dadurch aus, dass sie von zahlreichen kurzen Einspielszenen aus Fernsehen und Internet durchsetzt sind, also das gleiche Konzept wie Stefan Raab in "TV Total" benutzen, dieses aber in Frequenz und Abwechslung sogar noch etwas toppen. Ganz oft beschäftigen sie sich mit den üblichen Scheinargumenten gegen eine vegane Ernährung (daher wohl auch der Name des Kanals), so dass "Vegan-Anfänger" auch noch einige Argumentationshilfen erhalten, wenn ihnen im Familien- oder Freundeskreis die üblichen karnistischen Vorurteile begegnen oder entgegen gehalten werden.

Exemplarisch verlinke ich hier mal die Folge "Vegan ist unmännlich" zum Selberschauen:


Ich bin übrigens selten auf einen YouTube-Kanal zum Thema Veganismus gestoßen, bei dem die Kommentare zu einem so großen Anteil so positiv sind. Offenbar gibt es eine richtig große Fan-Gemeinde, denen ein Video pro Woche noch zu wenig ist. Geht man also davon aus, dass nicht nur Veganerinnen und Veganer die Videos von Gordon und Aljosha ansehen und sie vielleicht aufgrund des irreführenden Kanal-Namens sogar überdurchschnittlich oft von Nutzerinnen und Nutzern gefunden werden, die Argumente gegen eine vegane Ernährung suchen, scheinen sie so ziemlich genau den richtigen Ton zu treffen, der weder die einen noch die anderen vor den Kopf stößt oder zu Troll-Kommentaren verleitet.

Bei den Koch-Videos würde ich persönlich die Rezepte, die mit extrahierten Ölen und Fetten arbeiten, natürlich wenn möglich noch in Richtung ölfrei modifizieren oder anderenfalls eben nicht nachkochen. So verwenden sie bei ihrem "Chili sin Carne" zum Dünsten von Zwiebeln und Knoblauch ausgerechnet Kokosöl, das noch einen höheren Anteil der arterienschädigenden gesättigten Fette hat als Butter. (Dazu werde ich in Kürze auch noch einen Beitrag schreiben.) Da wäre also selbst die Verwendung von Olivenöl noch die bessere Variante. Wer meinen Blog kennt, weiß natürlich dass auch das nicht zu empfehlen ist und sich Zwiebeln und Knoblauch auch wunderbar in Wasser dünsten lassen.

Aber abgesehen davon: beide Daumen hoch und absolute Empfehlung!

Nachtrag 2.7.2017: Inzwischen bin ich noch auf ein anderes Video gestoßen, das aus veganer Sicht mehrere Aussagen insbesondere aus den ersten Videos von "Vegan ist ungesund" unter die Lupe nimmt und dabei einige Fälle benennt, in denen Gordon und Aljosha in ihrer Argumentation etwas daneben lagen oder bestimmte Zahlen nicht im korrekten Zusammenhang präsentierten. Es geht dabei um so Dinge, wie dass Bakterien im Verdauungstrakt von Rindern in der Tierhaltung auch ohne Supplementierung B12 bilden, oder dass Zahlen die zum Wasserverbrauch oder zur durch die Tierhaltung verschwendeten Nahrungsenergie genannt werden, nur in Bezug auf einzelne Bereiche davon gelten, also z.B. nur für die Rinderzucht oder nur für die Tierhaltung insgesamt und nicht ausschließlich für die Massentierhaltung. Das Video zeigt auch auf, warum der von Aljosha und Gordon benannte Zusammenhang zwischen Fischkonsum und Schlaganfällen so nicht belegt ist, dass Gorillas auch Insekten und damit nicht rein pflanzlich essen und dass der Konsum von Kuhmilch nicht zum Abbau von Kalzium aus den Knochen führt. (Was jedoch nichts daran ändert, dass viele Bevölkerungsstudien einen signifikanten Zusammenhang zwischen Milchkonsum und Osteoporoserisiko aufzeigen, was wohl an anderen Faktoren als Kalziumentzug aus den Knochen liegt.)

Dann zeigt es noch ein fiktives und absolut unrealistisches Beispiel, nach dem die Hälfte aller Zuchttiere auf nicht für den Gemüseanbau geeigneten Weideflächen stünde, wobei dann die Aussage fraglich würde, dass die Tierprodukteindustrie eine große Verschwendungsmaschinerie von Nahrungsenergie darstellt. Nur lässt dieses Beispiel eben völlig außer acht, dass selbst wenn man die in Wahrheit sehr wenigen Flächen dieser Art von Tieren beweiden lassen würde, man damit in einem beliebigen Zeitraum nur einen winzigen Bruchteil der Menge an Fleisch und Milch produzieren könnte, die im selben Zeitraum heutzutage schon konsumiert wird. Es müssten also wahrscheinlich erst einmal mindestens achtzig Prozent der heutigen Tierverbraucher vegan werden, ehe die Nachfrage nach Tierprodukten so stark zurück ginge, dass diese Art der Produktion betroffen wäre und das Argument damit überhaupt erst zu ziehen anfinge. Und davon sind wir dem Anschein nach ja noch Jahrzehnte entfernt.

All die genannten und zum Teil berechtigten Kritikpunkte ändern aber  natürlich nichts an den richtigen Grundaussagen bei "Vegan ist ungesund", dass die Tierprodukteindustrie insgesamt eine unglaubliche Ressourcenverschwendung bedeutet und der Umwelt großen Schaden zufügt und dass praktisch mit jeder einschlägigen Studie der Zusammenhang zwischen dem Konsum von Tierprodukten und den Epidemien chronischer Wohlstandskrankheiten klarer und eindeutiger zutage tritt. Dazu muss man sich nur ein paar der aktuellen Videos von Dr. Michael Greger auf dessen Portal Nutrition-Facts ansehen, welches ja auch von dem Kritikvideo zu "Vegan ist ungesund" zitiert wird.

Insofern ist es aus meiner Sicht fraglich, ob sich Gordon und Aljosha von "Vegan ist ungesund" mit den kritisierten Unkorrektheiten wirklich so angreifbar machen, wie es im Kritikvideo befürchtet wird. Vegan-Gegner, die sich so genau mit Detail-Fragen beschäftigen, dass sie zu denselben Kritikpunkten gelangen, könnte man sich ja nur wünschen. Die übliche Kritik an veganer Ernährung besteht ja normalerweise aus den üblichen Vor- und Fehlurteilen wie "Für das Soja der Veganer wird der Regenwald gerodet" (gerade erst wieder an der Supermarktkasse gehört) oder "Der Mensch benötigt tierische Proteine" oder "Der Mensch braucht Milchprodukte für die Knochen". Und selbst wenn man alle genannten Kritikpunkte eingesteht, bleibt eben auch aus ökologischer und gesundheitlich-medizinischer Perspektive immer noch eine beeindruckende Vielzahl an Argumenten, die für eine tierproduktfreie Ernährungs- und Lebensweise sprechen.

Wer mag, kann sich hier das Kritikvideo ansehen und so selbst ein Urteil bilden: