Sonntag, 7. April 2013

Vitamin B12 - Teil 1 (Notwendigkeit der Supplementierung und warum diese kein Argument gegen eine vegane Ernährung ist)

Vitamin B12 bzw. wissenschaftlich gesprochen Cobalamin-Verbindungen sind das Thema, dass unter Befürwortern und Gegnern einer veganen Ernährungsweise für die hitzigsten Diskussionen sorgt, wobei jedoch leider viele Legenden und falsche Vorstellungen zu falschen Schlussfolgerungen führen.

Am einen Ende des Spektrums stehen Anti-Veganer (man könnte meines Erachtens nach von besser von psychisch Tierprodukt-Süchtigen sprechen, die ihr schlechtes Gewissen durch Angriffe auf die Tierprodukt-Cleanen abmildern wollen), denen B12 als letztes verzweifeltes Argument dient, dass eine Ernährung ohne Tierprodukte nicht natürlich sein könne und damit falsch und gesundheitsschädlich sein müsse. Schließlich hat sich längst für alle anderen Nährstoffe -von den Proteinen über das Calcium, Jod, Eisen und Zink bis zu den essentiellen Omega-3-Fettsäuren gezeigt, dass man seinen entsprechenden Bedarf ebenso gut oder sogar besser aus einer gut geplanten rein pflanzlichen Kost decken kann. (Was die langkettigen Omega-3-Fettsäuren DHA und EPA betrifft: Die kann der Körper normalerweise aus den kurzkettigen Omega-3-Fettsäuren, wie sie in grünem Blattgemüse, Leinsamen und Walnüssen enthalten sind, selbst synthetisieren. Für Menschen, bei denen das aus irgendwelchen Gründen nicht klappt, gibt es von Algen synthetisiertes DHA und EPA in Kapseln, die im Gegensatz zu Fischölkapseln keinerlei Schwermetall- oder PCB-Rückstände enthalten.)

Am anderen Ende stehen Veganer, die in einem falschen Versuch, dieses Argument zu entkräften, die Notwendigkeit einer Ergänzung der veganen Ernährung durch B12-Supplemente einfach leugnen und entweder behaupten, dass B12 in der Ernährung keine Rolle spiele oder aber dass der Bedarf des menschlichen Körpers an Vitamin B12 über pflanzliche Lebensmittel wie Sauerkraut, Spirulina-Algen oder Sanddorn gedeckt werden könne.

Und beide Seiten liegen falsch.

Die Antiveganer vergessen, dass es eine vollkommen "natürliche" Ernährung in der heutigen Zeit der kultivierten Lebensmittelproduktion (ob nun in kunstgedüngten und pestizidverseuchten Monokulturen oder im Ressourcen schonenden organischen Anbau) sowieso nicht geben kann und dass auch die typische Mischkost alles andere als natürlich ist. Auch Antiveganer kaufen den größten Teil ihrer Lebensmittel im Supermarkt. Würden sie sich vollkommen natürlich ernähren wollen, müssten sie wohl durch den Wald streifen und Blätter, Wurzeln, Beeren, Pilze und Insekten essen. Nur wenn sie geschickt genug wären, könnten Sie ihren Speiseplan durch ein gelegentlich erlegtes höheres Wildtier "bereichern", aber da sie nicht auf "unnatürliche Weise" mit Gewehr und Kugeln jagen dürften, gäbe es wohl nur ganz selten Wildschwein oder Reh. Stattdessen würde häufiger Igel, Kaninchen oder ein Vogel aufgetischt, die dann aber auch ungewürzt und mit Innereien verzehrt werden müssten. Davon abgesehen heißt "natürlich" noch lange nicht erstrebenswert oder gar der Gesundheit förderlich. Darauf werde ich in einem separaten Post zur sogenannten Paläo- oder Steinzeiternährung noch einmal genauer eingehen. (Da werde ich mich dann auch sicher gleich mit der Rohkost-Bewegung befassen.)

Interessanterweise enthalten auch die abgezapfte Säuglingsnahrung oder die Leichenteile von Rindern in den Kühlregalen der Supermärkte aufgrund der diesen Tieren aufgezwungenen sehr unnatürlichen Lebens- und Ernährungsweise von sich aus schon lange nicht mehr genug Vitamin B12 um damit den Bedarf bei Menschen zu decken. Denn Vitamin B12 wird nie vom Körper eines Säugetiers selbst, sondern immer nur von Bakterien in dessen Darm erzeugt. Und das setzt eine gesunde Darmflora voraus, die sich bei Rindern aber nur bei einer artgerechten Ernährung mit viel Gras und Heu bilden bzw. erhalten kann. Den mit Mais und Soja gemästeten Rindern und Schweinen in Gefangenschaft wird daher ebenfalls synthetisch erzeugtes B12 ins Futter gemischt. Synthetisches B12 direkt zu sich zu nehmen mag zwar unnatürlich sein, aber es ist auch nicht weniger natürlich, als es über den Umweg Tier zu sich zu nehmen. Im Gegenteil: Man kann auf dem direkten Weg den Bedarf des Körpers an B12 decken, ohne das in den tierischen Lebensmitteln enthaltene schädliche Beiwerk wie gesättigte Fette, Wachstumsfaktoren, Pestizid- und Antibiotikarückstände mit aufnehmen zu müssen.

Die die Notwendigkeit für eine B12-Supplementierung leugnenden Veganer auf der anderen Seite glauben einfach Unwahres oder zumindest Unbewiesenes. Zwar ist B12 das Vitamin, das aufgrund eines sehr guten körpereigenen Recyclings dem Körper nur in sehr kleinen Mengen zugeführt werden muss, die z.B. Größenordnungen unter den benötigten Mengen von Vitamin C liegen. Aber gebraucht wird es in jedem Fall und die Folgen bei einem Mangel sind sehr schwerwiegend. Da Vitamin B12 z.B. zur Erhaltung der Nervenfunktionen benötigt wird, drohen bei einer mangelnden Zufuhr schwere, irreparable Schäden bis hin zur Alzheimer-Erkrankung.

Manche Veganer behaupten, dass auch die Bakterien in der Darmflora des Menschen ausreichend Vitamin B12 produzieren. Das kann bei einer gesunden Darmflora sogar stimmen, jedoch wird das B12 beim Menschen vor allem im Dickdarm produziert, es kann jedoch nur im weiter vorne liegenden, "Ileum" genannten Teil des Dünndarms absorbiert werden. Das ist auch bei den ausschließlich Pflanzen essenden Gorillas so, jedoch nehmen die wohl gelegentlich einen Teil ihrer eigenen festen Ausscheidungen wieder zu sich und können das darin enthaltene B12 dadurch dann im Ileum verwerten. Diese vollkommen "natürliche" und vegane Art der Vitamin-B12-Zufuhr ist jedoch für heutige Menschen aus hygienischen Gründen keine Option, so dass hier die "künstliche" Alternative der Vitamin-B12-Supplementation allemal die bessere ist.

Andere vegane Leugner der Notwendigkeit einer B12-Supplementation behaupten, dass eine ausreichende B12-Zufuhr auch ohne Supplemente über andere pflanzliche Quellen gesichert werden könne. (Da werden dann z.B. oft Sauerkraut, Spirulina-Algen oder Sanddorn genannt.) Jedoch ist von keiner dieser vermeintlichen Quellen gesichert bewiesen, dass sie die vom Körper benötigte aktive Form von B12 enthalten und nicht nur sogenannte B12-Analoga, die zwar bei den üblichen Messmethoden als B12 erfasst werden, jedoch die erforderlichen Funktionen im Körper nicht ausüben können.

Schließlich wird noch in's Feld geführt, dass es Menschen gebe, die sich seit Jahrzehnten vegan ernährten, aber nie einen B12-Mangel entwickelt hätten. Tatsächlich ist das sogar sehr gut möglich. Es könnte zum einen Menschen geben, bei denen Darmbakterien auch schon vor dem Ileum ausreichend B12 produzieren. Und zum anderen könnten diese Menschen vielleicht auch irgendwelche pflanzlichen Lebensmittel konsumieren, in denen Bakterien tatsächlich aufgrund von spezieller Fermentation das benötigte aktive B12 erzeugen, ohne dass dies bisher wissenschaftlich nachgewiesen wäre. (Die Vitamin-B12-Forschung ist ja noch vergleichsweise jung, und man weiß noch längst nicht alles über B12, das interessant zu wissen wäre.) Nur darf man eben von diesen Fällen nicht auf sich selbst schließen. Man möchte ja nicht nur durch glücklichen Zufall keine Alzheimer-Erkrankung durch einen Vitamin-B12-Mangel bekommen, sondern ganz sicher nicht. Und ganz sicher kann man wiederum nur sein, wenn man supplementiert.

Veganer, die die Notwendigkeit einer B12-Supplementation einfach leugnen und dann durch ihre Mangelernährung Gesundheitsschäden entwickeln, schaden letztlich der Veggie-Idee und den Tieren mehr, als sie ihnen nützen. Denn ihre Fälle werden von der Presse immer dankbar aufgegriffen ("Die Welt" vom Springer-Verlag tut sich im Veganismus-Bashing übrigens immer besonders hervor) und als Beweise dafür ins Feld geführt, dass eine vegane Ernährung eine Mangelernährung sei, die die Bedürfnisse des menschlichen Körpers nicht abdecken könne. Dadurch werden viele Menschen davon abgehalten, sich näher mit dem Thema zu beschäftigen und die Vorteile für Tier, Umwelt, Welternährung sowie bei richtiger Herangehensweise auch für die eigene Gesundheit zu erkennen.

Nachdem nun also die unbedingte Notwendigkeit einer B12-Supplementation bei einer veganen Ernährung geklärt ist, und ebenso geklärt ist, dass sie kein Argument gegen eine vegane Ernährung darstellt, werde ich mich in Teil 2 mit der entscheidendenden Frage für die Praxis beschäftigen: Welche Art von B12 sollte man in welcher Menge zu sich nehmen?