Freitag, 30. März 2018

Low-Carb- und Paleo-Märchen 2: Der Cholesterinwert sagt nichts über das Herzinfarktrisiko aus

Das Märchen:
Es war einmal ein Land, in dem lebten ein paar Millionen Menschen. In diesem Land bekamen jedes Jahr viele Tausend Menschen plötzlich und unerwartet einen Herzinfarkt und über ein Drittel derjenigen, die es erwirschte, starben daran. Wenn der Gestorbene prominent war, wie z.B. ein Sänger namens Udo Jürgens, ein Publizist namens Frank Schirrmacher oder ein Schauspieler namens Ulrich Pleitgen, zeigten sich ihnen nahe stehende Menschen in den Medien immer erschüttert und fassungslos.

Wissenschaftler und Mediziner versuchten die Gründe dafür herauszufinden und stellten eine gewagte Theorie auf: Vielleicht erhöht ja ein hoher Cholesterinwert das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden? Sogleich wurden Statistiken erstellt: Es wurde geschaut, welche Cholesterinwerte die verstorbenen und die überlebenden Herzinfarktpatienten vor dem Schicksalsschlag hatten und diese Werte wurden mit denen von Menschen verglichen, die noch nie einen Herzinfarkt hatten. Doch dabei kam heraus, dass ein Drittel der Opfer eines Herzinfarktes einen niedrigen Cholesterinwert von unter 200 mg/dl gehabt hatten, also sogar 30 mg/dl besser als der durchschnittliche Wert von 230 mg/dl der Menschem im Lande. Damit war bewiesen, dass der Cholesterinwert nichts über das Herzinfarktrisiko aussagt. Die Menschen waren beruhigt, aßen wie bisher weiter viel Speck, Eier, Butter und Käse und wenn sie nicht ans Herzinfarkt gestorben sind, dann wird es vielleicht noch passieren.

Die Wahrheit:

Das Argument, ein Drittel aller Herzinfarktopfer habe einen niedrigen Cholesterinwert, hängt an der Definition von "niedrig". In einer Gesellschaft, in der der durchschnittliche Cholesterinwert bei 230 mg/dl liegt, mag ein Wert unter 200 mg/dl niedrig erscheinen. Jedoch lagen die Cholesterinwerte von Menschen in den ländlichen Regionen Asiens oder Afrikas, wo vor der Ankunft von Industrienahrung viele stärkehaltige pflanzliche Grundnahrungsmittel wie Reis oder Maniok gegessen wurden, fast immer unter 150 mg/dl. Gleichzeitig kamen Herzinfarkte in diesen Regionen praktisch nicht vor. Neugeborene haben übrigens meist Cholesterinwerte unter 140 mg/dl.

Genauso gut könnte man sagen, die Hälfte aller Auffahrunfälle mit Todesopfern geschehen bei "niedrigen" Geschwindigkeiten, also hat die Fahrgeschwindigkeit eines Autos nichts mit dem Risiko eines tödlichen Auffahrunfalls auf ein anderes Auto zu tun. Die erste Aussage wäre sogar wohl richtig, wenn man als "niedrige" Geschwindigkeit z.B. alles unter 170 km/h definiert. Und man unterschlägt dann einfach, dass Fahrzeuge bei unter 70 km/h wirklich kaum Unfälle dieser Art verursachen. Jedenfalls sind die Raten tödlicher Autounfälle auf Autobahnen nun mal in solchen Ländern niedriger, in denen auf diesen eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h gilt.

Der Zusammenhang zwischen den Blut-Cholesterinwerten und dem Risiko für einen Herzinfarkt ist in hunderten von Bevölkerungsstudien nachgewiesen. Dabei spielt es nicht einmal eine Rolle, ob das Cholesterin im Blut ursächlich für Herzinfarkte ist, oder ob es lediglich ein Indikator für andere Faktoren ist, die zu einem Herzinfarkt führen können. Es gilt trotzdem: Je höher ihr Cholesterinwert, desto höher Ihr Risiko einen Herzinfarkt zu erleiden. Sollte Ihnen dieses Schicksal einmal widerfahren und sollten Sie aber das Glück haben, sich statt beim Bestatter nur im Krankenhaus wiederzufinden, so werden die Ärztinnen und Ärzte mit Ihnen keine Diskussion über die Schädlichkeit oder Unschädlichkeit hoher Cholesterinwerte beginnen. Sie werden Ihnen einfach Cholesterinsenker verschreiben und fertig, und zwar völlig im Einklang mit der wissenschaftlichen Studienlage.

Die gute Nachricht: Hohe Cholesterinwerte sind ebenso wenig ein unabwendbares Schicksal wie ein Herzinfarkt. Wie Dr. Caldwell Esselstyn in mittlerweile zwei Studien gezeigt hat, können Sie mit einer vollwertig pflanzlichen Ernährung ohne extrahierte Pflanzenfette Ihr persönliches Risiko für einen Herzinfarkt gegen Null bringen. Zitat Dr. Esselstyn: "Koronare Arterienerkankungen sind ein zahnloser Papiertiger, der gar nicht existieren müsste und der -wo er existiert- nicht fortschreiten müsste." Wenn Sie diese Ernährungsweise nur einmal für drei Wochen ausprobieren, werden Sie feststellen, dass auch Ihre Cholesterinwerte ganz ohne Medikamente und deren unschöne Nebenwirkungen sinken und sinken.

Das Märchen von der fehlenden Aussagekraft von hohen Cholesterinwerten für das Herzinfarktrisiko ist genau das: Nur ein Märchen.