Sonntag, 29. April 2018

Restaurants: Nach vielen Jahren Vegan-Trend immer noch ein Minenfeld

Normalerweise suche ich aus eigenem Antrieb ja nur noch vegane Restaurants auf, einfach weil vegane Restaurants jede Unterstützung verdienen. Wenn ich auswärts essen gehe, bin ich auch bereit, mal ausnahmsweise mit Pflanzenöl zubereitete (vegane) Speisen zu essen, wobei ich dann immer darauf achte, dass es sich um Speisen handelt, bei denen das Öl zum anfänglichen Andünsten von Zwiebeln und Knoblauch verwendet wird, und nicht um eine Hauptzutat wie z.B. bei Frittiertem. Oft messe ich dann im Nachhinein meinen Cholesterinwert und kann in aller Regel einen kurzzeitigen Anstieg auf einen Wert von über 150 mg/dl feststellen, also über die Schwelle, die den Unterschied zwischen sicherem und unsicherem Bereich in Bezug auf Herzinfarkt darstellt.

Manchmal wird man jedoch zu Familienfeiern in ein Restaurant eingeladen und kann dieses dann natürlich nicht selbst aussuchen. Gestern war es bei mir wieder soweit: Es ging aus Anlass der Konfirmation einer Nichte in ein Restaurant französischen Stils in Köln-Ehrenfeld. Und wieder war ich erstaunt, dass man nach so vielen Jahren eines doch spürbaren Trends hin zu einer pflanzenbasierten bzw. veganen Ernährung in den Speisekarten fast aller nicht-veganen Restaurants immer noch nur eine Rubrik "Vegetarisch" findet, worunter manches aufgeführt ist, das vegan sein könnte oder aber auch nicht. Diese Unsicherheit ist völlig unnötig, wenn Restaurants den doch wirklich sehr überschaubaren Aufwand leisten würden, vegane Speisen auch als solche zu kennzuzeichnen bzw. bei leicht veganisierbaren Speisen auch die vegane Option als solche anzubieten. Doch in der Gastronomie scheint weiter das Motto zu gelten: Je mehr Tierisches, desto besser, und es wird ohne Rücksicht auf Verluste bei Tieren, Umwelt und Gesundheit die Völlerei befördert als ob es kein Morgen gäbe. Als ethischer Veganer steht man dann vor dem Problem, seinen Mund halten zu müssen, wenn Menschen, die man eigentlich schätzt und mag, direkt neben einem z.B. die Bestandteile von Babys (in dem Fall Lämmern) verschlingen. Von dem Leid und dem Schaden, den sie damit anrichten, wollen sie in dem Moment einfach nichts hören.

Ich bin es aber wirklich langsam leid, dass es Veganerinnen und Veganern immer noch so schwer gemacht wird. Auf Menschen, die aus religiösen Gründen irgendwelche Speisetabus einhalten, wird mehr geachtet (z.B. indem immer auch Fleischgerichte ohne Schweinefleisch angeboten werden), als auf Menschen, die aus nachvollziehbaren ethisch-rationalen Gründen mit ihrem Essverhalten möglichst wenig Leid für Tiere und möglichst wenig Schaden für die Umwelt verursachen wollen. Wie schwer kann es sein, mindestens eine sättigende vegane Option auf die Speisekarte zu setzen und diese als solche zu kennzeichnen? Der Unterschied dürfte psychologisch wohl der sein, dass diese ethisch-rationalen Gründe bei Licht betrachtet für alle gelten, während man sich religiöse Überzeugungen anderer Menschen leicht vom eigenen Leib halten kann, indem man einfach nicht an sie glaubt.

Ich rege daher an, dass möglichst alle Veganerinnen und Veganer, die sich mit diesem Problem herumärgern müssen, den Restaurants so lange (natürlich konstruktives und freundliches) Feedback geben, bis das Nicht-Anbieten einer veganen Option allgemein als die Unhöflichkeit anerkannt ist, die sie uns gegenüber de-facto darstellt.

Dem Restaurant von gestern habe ich über sein Kontaktformular jedenfalls Folgendes geschrieben:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich hatte gestern die Freude gemeinsam mit der Konfirmationsgesellschaft meiner Nichte Gast Ihres Restaurants zu sein. Vielleicht erinnern Sie sich: Ich war der Herr mit den veganen Sonderwünschen.

Erst einmal möchte ich mich dafür bedanken, dass Sie meinen Wünschen so bereit willig entgegen kamen. Dennoch möchte ich Ihnen gerne auch etwas konstruktives Feedback geben, damit Sie auch für künftige vegane Gäste ein vielleicht noch angenehmeres Besuchserlebnis ermöglichen können:

Nach mittlerweile neun veganen Jahren habe ich einen recht geschulten Blick für Speisekarten und welche der dort aufgeführten Speisen vegan sein könnten bzw. sich leicht durch Weglassen einzelner Bestandteile in eine vegane Version ändern lassen könnten. Leider gibt es dabei trotzdem immer gewisse Unsicherheiten: Ofenkartoffeln ohne Schmand sind z.B. für gewöhnlich vegan, jedoch nicht mehr, wenn Butter daran gegeben wird. Von den Ravioli wurde mir gestern gesagt, dass da doch auch nichts Tierisches dran sei, serviert wurden sie mir jedoch mit Käseraspeln und außerdem halte ich es im Nachhinein für wahrscheinlich, dass Teig oder Füllung wahrscheinlich auch Ei bzw. sogar weiteren Käse enthielten. Meiner Meinung nach sind die Süßkartoffel-Pommes mit der Tomaten-Aioli höchstwahrscheinlich von Haus aus vegan, doch aufgrund von Zweifeln bezüglich der Tomaten-Aioli sollte ich eine Variante mit Ketchup bekommen. Serviert wurde mir jedoch eine Variante mit Ketchup und Mayonnaise, die nun definitiv im Normalfall nicht vegan ist. Das Hummus war ausgesprochen lecker und vermutlich sogar wirklich vegan, zumindest wenn Ihr Haus sich da an eine der traditionellen arabischen Rezepturen hält. Restzweifel blieben jedoch auch hier, da ich einfach merkte, dass ihre Küche diesem Aspekt bisher keine besondere Aufmerksamkeit schenkt.

Hätte ich all das vorher gewusst, hätte ich vermutlich einfach drei Portionen Ofenkartoffeln ohne Schmand und ohne Butter gewählt und wäre voll und ganz zufrieden gewesen. (Die Kartoffeln waren wirklich auserlesen köstlich.) So jedoch bleibt mir die für mich unangenehme Vermutung, gegen meinen Wunsch Tierprodukte konsumiert zu haben.

Diese Unsicherheiten für Ihre veganen Gäste könnten Sie einfach beseitigen, indem Sie die veganen Speisen auf ihrer Karte als solche kennzeichnen bzw. bei den leicht veganisierbaren Speisen diese Option verdeutlichen. (Eben z.B. bei den Ofenkartoffeln.) Vegan ist übrigens das neue Vegetarisch (fragen Sie gerne beim früheren Vegetarierbund Vebu, heutiger ProVeg nach), da heutzutage die meisten wissen, dass auch für die Herstellung von Eiern und Milch letztlich Tiere getötet werden müssen, auch wenn deren Einzelteile wie bei den geschredderten Küken dann nicht auf dem Teller landen. Genau das, die Tötung von Tieren für das eigene Essen, wollen Vegetarier_innen ja vermeiden und verzichten deshalb häufig auch auf den Konsum anderer Tierprodukte als nur Fleisch.

Eine bloße Rubrik "Vegetarisch" hat daher für viele gar keinen Nutzen mehr, eine Kennzeichnung von veganen Speisen hat diesen hingegen sehr wohl. (Abgesehen davon sind vegane Speisen gleichzeitig auch immer halal und koscher und sind von daher auch für Gäste interessant, die aus religiösen Gründen bestimmte Tierprodukte oder Kombinationen von Tierprodukten vermeiden wollen. Interessanterweise beziehen sich die religiösen Speisetabus ja immer auf Tierprodukte.)

Dies ist wie gesagt als gut gemeinte Anregung zu verstehen. Wie man an den Gästezahlen gestern sehen konnte, hätten sie es nicht einmal nötig auf Sonderwünsche einzugehen. Aber sicher werden Sie häufig von größeren Gästegruppen besucht, und da wird immer mal wieder eine Veganerin oder ein Veganer darunter sein, die oder der (wie ich) von sich aus die tierproduktlastige französische Küche eher meidet. Mit wenig Aufwand könnten Sie auch diesen kleinen Teil ihrer Gäste positiv überraschen und für sich gewinnen.

Mit freundlichem Gruß
Hauke Dressel