Samstag, 2. Januar 2016

Frohes neues Jahr der Hülsenfrüchte

Fasolia - Bohnengericht aus weißen Bohnen und Tomatensoße
Ich wünsche Ihnen, den Leserinnen und Lesern meines Blogs, ein frohes und gesundes neues Jahr 2016. Da dieses Jahr von der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum internationalen Jahr der Hülsenfrüchte erklärt wurde, wünsche ich Ihnen auch viele leckere vegane und ölfreie Mahlzeiten mit Bohnen,  Linsen und Erbsen, von denen wir in unserem Kulturkreis inzwischen leider viel zu geringe Mengen essen.

Es gibt keine Lebensmittelgruppe, deren Verzehr über alle Kulturkreise hinweg so eindeutig mit einer hohen Lebenserwartung assoziiert ist, wie eben die Hülsenfrüchte. In der "Food Habits in Later Life (FHILL)"-Studie [1]  wurden ethnische Gruppen von über 70-Jährigen aus Japan, Griechenland, Schweden und Australien daraufhin untersucht, wie ihre Sterblichkeit mit dem Verzehr verschiedener Lebensmittelgruppen zusammen hing. In dieser Studie wurde nur für die Lebensmittelgruppe der Hülsenfrüchte in allen ethnischen Gruppen ein signifikanter Zusammenhang zwischen  ihrem Konsum und einer reduzierten Sterblichkeit festgestellt, wobei das Sterblichkeitsrisiko je 20 Gramm täglicher Aufnahme um 7-8 Prozent geringer war. Natürlich wäre es ein Fehlschluss, nun  anzunehmen, dass man für diese verringerte Sterblichkeit erst ab 70 Jahren vermehrt Bohnen und Linsen essen müsse. Man kann im Gegenteil davon ausgehen, dass wer mit 70 und darüber besonders viele Hülsenfrüchte aß, dies auch schon in jüngeren Jahren getan hatte.

In vielen Regionen der Erde sind Hülsenfrüchte ein Grundnahrungsmittel, z.B. Bohnen zusammen mit Reis in Südamerika und Dal aus roten Linsen in Indien. Sie liefern mit Stärke und Proteinen besonders viel wertvolle Nahrungsenergie  und darüber hinaus zahlreiche Mikronährstoffe in Form von Vitaminen, Mineralien, Spurenelementen und sekundären Pflanzenstoffen. Ihr biologischer Anbau trägt Stickstoff in die Böden ein und fördert damit noch deren Fruchtbarkeit anstatt sie auszulaugen.

Auch andere Studien haben viele positive Effekte durch den Genuss von Bohnen, Erbsen und Linsen gezeigt: Sie halten den Blutzucker und den Blutdruck unter Kontrolle [2] und senken das böse LDL-Cholesterin [3], wozu unter anderem ihr hoher Gehalt an Ballaststoffen beitragen dürfte.

Also Leute: Esst mehr Bohnen, Linsen und Erbsen!

Übrigens zeigt kaum etwas besser, dass die sogenannte Paläo-Ernährung unwissenschaftlicher Quark ist, als deren Warnung vor Hülsenfrüchten. In Anbetracht der nachgewiesenen positiven Effekte von Hülsenfrüchten müssen entweder schon die Annahmen der Paläo-Ernährung über die Ernährung unserer steinzeitlichen Vorfahren falsch sein, oder es kann etwas mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf die Bedeutung der Steinzeitkost für die Gesundheit heutiger Menschen nicht stimmen. Zwar wird die Warnung vor Hülsenfrüchten in der sogenannten Paläo-Ernährung scheinbar wissenschaftlich damit verbrämt, dass Hülsenfrüchte mit den Lektinen giftige "Antinährstoffe" enthielten. Dabei wird aber schlicht unterschlagen, dass die Lektine in Bohnen, Linsen und Erbsen durch das Kochen entweder komplett unschädlich gemacht werden (im Falle der Phasine) oder mindestens um den Faktor 1000 auf vollkommen ungefährliche Größenordnungen reduziert werden (im Falle der Phytohämaagglutinine). Natürlich muss dringend davon abgeraten werden, Hülsenfrüchte ungekocht zu verzehren. Aber Menschen kochten ihre Nahrung nachweislich schon seit mindestens einer Million Jahren. Anthropologen gehen heute davon aus, dass es dieses Kochen war, das unseren Vorfahren die zusätzliche Nahrungsenergie verfügbar machte, welche zur Ausbildung des sehr komplexen und damit energiehungrigen menschlichen Gehirns erforderlich war.

Im Falle eines anderen von der sogenannten Paläo-Ernährung als Antinährstoff gescholtenen Stoffes, nämlich der Phytinsäure, die z.B. in Vollgetreide vorkommt, zeigen neueste Forschungen einige positive Effekte, die sich offenbar aus dem Zusammenspiel mit der Darmflora ergeben. Das Zusammenwirken von Pflanzenstoffen und Darmflora ist noch größtenteils unerforscht. Das Genom der Darmflora unterliegt einer wesentlich schnelleren Evolution als das des Menschen selbst. Dies wird von der sogeannten Paläo-Ernährung vollkommen außer acht gelassen.

Also: Wenn Sie auf irgendwelchen Blogs wie Paleo360 oder Urgeschmack Warnungen vor "Anti-Nährstoffen", Lektinen und Phytinsäure in Hülsenfrüchten und Vollgetreide lesen, ignorieren Sie es einfach, auch wenn die Argumente scheinbar wissenschaftlich daherkommen!


[1] Asia Pac J Clin Nutr. 2004;13(2):217-20. Legumes: the most important dietary predictor of survival in older people of different ethnicities. Darmadi-Blackberry I1, Wahlqvist ML, Kouris-Blazos A, Steen B, Lukito W, Horie Y, Horie K. [Link zur Originalstudie]

[2] Arch Intern Med. 2012 Nov 26;172(21):1653-60. Effect of legumes as part of a low glycemic index diet on glycemic control and cardiovascular risk factors in type 2 diabetes mellitus: a randomized controlled trial. Jenkins DJ1, Kendall CW, Augustin LS, Mitchell S et. al. [Link zur Originalstudie]


[3] CMAJ. 2014 May 13; 186(8): E252–E262. Effect of dietary pulse intake on established therapeutic lipid targets for cardiovascular risk reduction: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Vanessa Ha, John L. Sievenpiper, Russell J. de Souza et. al [Link zur Originalstudie]

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