Dienstag, 9. April 2013

Neue überraschende Belege für die Positionen des Autors der China-Study

Am letzten Donnerstag strahlte arte die Dokumentation "Geheimnisse eines langen Lebens" aus, in der es zunächst um Patienten mit dem nach einem israelischen Arzt benannten Laron-Syndrom ging, die aufgrund einer Gen-Mutation kleinwüchsig bleiben. Die Forscher vermuteten zunächst, dass die Hypophyse der Betroffenen kein oder zu wenig Wachstumshormon ausschütte, mussten aber überrascht feststellen, dass bei ihnen sogar mehr Wachstumshormon im Blut zirkulierte. Bald konnten sie das Rätsel lösen: Die Rezeptoren für dieses Hormon in der Leber funktionieren nicht, so dass diese kein Signal zur Produktion von IGF-1 (Insulin-like Growth Factor 1) erhält, welches eine entscheidende Rolle bei den Wachstumsprozessen im Organismus spielt. Dies gilt im übrigen nicht nur für Menschen. Die gleiche Genmutation, die die Laron-Patienten aufweisen, lässt sich auch bei Mäusen, Fadenwürmern und sogar Hefepilzen finden und sorgt bei diesen interessanterweise für eine deutlich erhöhte Lebenserwartung. Die Laron-Patienten haben diese höhere Lebenserwartung nicht, was damit zusammenhängen könnte, dass sie meist sozial benachteiligt und oft sogar ausgegrenzt werden, mit allen negativen Konsequenzen für ihre Lebenszufriedenheit und damit für ihre Gesundheit.

Aber: Obwohl die Laron-Patienten eine klare statistische Tendenz zum Übergewicht aufweisen, welches üblicherweise auch ein Risikofaktor für Diabetes und Krebs ist, scheinen sie weder an dem einen noch an dem anderen jemals zu erkranken. Dies wiederum wird auf ihren extrem niedrigen IGF-1-Spiegel zurückgeführt.

Offenbar ist für Menschen nach Abschluss des Wachstums in Kindheit und Jugend ein niedriger IGF-1-Spiegel erstrebenswert, weil dieser das Risiko für Krebserkrankungen reduziert, während ein hoher IGF-1-Spiegel es erhöht.

Dann stellt sich jedoch gleich die nächste Frage: Wie kann man ohne Medikamente Einfluss auf seinen IGF-1-Spiegel nehmen? Die Antwort auf diese Frage kennt man jedoch bereits: Zahlreiche Studien haben immer wieder bestätigt, dass der Konsum tierischer Proteine auch schon in recht geringen Mengen den IGF-1-Spiegel erhöht, während der Verzicht auf diese ihn senkt. Bei Proteinen aus Soja kann offenbar ein hoher Konsum den IGF-1-Spiegel ebenfalls erhöhen (so ab fünf Portionen am Tag), weil Sojaproteine den tierischen Proteinen in ihrer Aminosäurezusammensetzung recht ähnlich sind. (Sie haben eine hohe, sogenannte "biologische Wertigkeit", die nach diesen Erkenntnissen unter Gesundheitsaspekten jedoch eher eine "Un-" bzw. sogar "Antiwertigkeit" ist.) Ansonsten haben pflanzliche Proteine entweder keinen Einfluss auf den IGF-1-Spiegel oder tragen sogar zu seiner Senkung bei.

Dies wird nun auch von einem der Forscher aus der Dokumentation näher untersucht, der sich daran erinnerte, dass in dem italienischen Ort, aus dem seine Eltern einst in die USA auswanderten, besonders viele Über-Hunderjährige leben. Diese befragt er nun systematisch zu ihren Ernährungsgewohnheiten während ihres langen Lebens. Die Befragung ist zwar noch nicht abgeschlossen und ausgewertet, aber es zeichnet sich bereits ab, dass die meisten dieser besonders alten und gleichzeitig noch recht agilen Menschen nur sehr selten tierische Produkte und dafür umso mehr Gemüse aßen.

Bedenkt man noch den im Vergleich zu anderen Epochen und Kulturen hier und heute vorherrschenden extrem hohen Konsum tierischer Proteine (Kuhmilchprodukte und Eier eingerechnet), so wundert einen auch nicht mehr, dass bestimmte Krebsarten heutzutage und hierzulande ebenfalls vergleichsweise oft auftreten. Im Supermarkt sehe ich oft Kunden, die sich außer Joghurt, Käse und Wurstaufschnitt allenfalls noch eine Packung Brot mit aufs Band legen, aber nicht ein Stück Obst oder Gemüse. (Besonders furchtbar finde ich es, wenn solche Kunden mit ihren Kindern da sind, die offenbar schon früh an eine ungesunde Ernährungsweise herangeführt werden.)

Manche der bei uns häufigsten Krebsarten (insbesondere Brust- und Prostatakrebs) sind in bestimmten Kulturen der Erde nahezu unbekannt, bzw. waren es, bis sie die westlichen Ernährungsgewohnheiten zu übernehmen begannen. Ein Zusammenhang zwischen dem Konsum von Milchprodukten und dem Risiko für Prostatakrebs ist in mehreren Studien bereits klar belegt worden. (Zu dem Mythos von der Kuhmilch als gesundem Nahrungsmittel und zur in ethischer Hinsicht besonderen Widerwärtigkeit ihrer Produktion werde ich noch einmal ein separates Post schreiben.)

All dies bestätigt aus einem anderen Forschungsfeld die Positionen T. Colin Campbells, des Autors der "China-Study", der in seiner langjährigen Forscherkarriere sowohl durch Tierversuche als auch durch epidemiologische Untersuchungen zu dem Schluss kam, dass der Konsum tierischer Proteine schlechthin *der* Risikofaktor für bestimmte Krebserkrankungen ist. (Die Tierversuche zeigen übrigens, dass Campbell jedenfalls nicht als Tierrechtler zu seinen Schlussfolgerungen gelangt ist.) So schreibt Professor Campbell bereits in der China-Study, dass der IGF-1-Spiegel eines Menschen eine genauso guter Indikator für das Risiko einer Krebserkrankung ist, wie es die Cholesterinwerte für das Risiko einer Erkrankung des Herzkreislaufsystems sind. Dabei kann man annehmen, dass er beim Schreiben des Buches von den niedrigen IGF-1-Werten und der offenbaren Krebsresistenz der Laron-Patienten noch nicht einmal gehört hatte. (Er hätte sie sonst sicher erwähnt.)

Leider braucht es manchmal sehr lange, bis eindeutige Ergebnisse aus der Wissenschaft im öffentlichen Bewusstsein ankommen. Insbesondere dann, wenn die Botschaft nicht gerne gehört wird, weil sie schlechte Angewohnheiten in Frage stellt. Die selektive Wahrnehmung begünstigt dann alles, was dieses unangenehme Botschaft in Zweifel zieht. (Nicht anders ist zu erklären, dass der renommierte T. Colin Campbell nach einer langen, verdienten Forscherkarriere in der Blogosphäre als von einer Englisch-Studentin widerlegt gelten kann.)