Samstag, 3. August 2013

"Ich züchtige meine Kinder nur noch selten"

Keine Angst - die Überschrift ist keine wörtliche Aussage von mir oder einem Menschen aus meinem Umfeld.

Aber welcher konsequent oder inkonsequent vegetarisch lebende Mensch hört nicht mindestens einmal die Woche von jemandem aus seinem Bekannten- oder Kollegenkreis die für mich mittlerweile genauso absurd klingende Aussage "Ich esse nur noch selten Fleisch"?

Nicht nur, dass sich bei genauerem Nachhaken der angeblich seltene Fleischkonsum doch auf mindestens viermal die Woche summiert, wenn auch der Wurstbelag auf dem Brot, die Schinkenstücke im Eintopf oder in Backwaren, der schnelle Hähnchen-Nugget-Snack und der Thunfischbelag auf der Pizza mitgezählt werden.

Ich weiß nie, wie ich darauf antworten soll, befürchte aber, dass diejenigen, die mir gegenüber diese Aussage machen, darauf von mir eine in irgendeiner Weise positive Reaktion erwarten. Fairerweise muss man ja sagen, dass darin immerhin schon so etwas wie ein Problembewusstsein aufscheint. Offensichtlich wissen diejenigen, die aus ihrer Sicht ihren Fleischkonsum einschränken, dass damit etwas nicht in Ordnung ist. Dass er also der eigenen Gesundheit schadet, aber auch den Tieren, der Umwelt und der Welternährungslage.

Nur: Wieso ziehen sie daraus nicht die einzig logische Konsequenz: Einfach gar keine Tierleichenteile (und damit meine ich auch das Fleisch von allen im Wasser lebenden Tieren) mehr essen?

Bei der Kindererziehung ging das doch auch: Da hat man irgendwann im Laufe der Zeit erkannt, dass körperliche Bestrafung von Kindern zum einen grausam ist, und zum anderen auch nicht einmal den beabsichtigten Erziehungserfolg hat. Inzwischen haben Kinder das gesetzlich verankerte Recht auf eine gewaltfreie Erziehung und jemand, der erzählt, dass er seine Kinder nur noch selten mit einem Gürtel züchtigt, müsste nicht nur mit verächtlichen Blicken, sondern auch mit dem baldigen Besuch von Vertretern des örtlichen Jugendamtes rechnen.

Während in der Tat Kinder ihre Eltern auch bis auf das Messer reizen können und denen dann schon mal im Affekt die Hand ausrutschen kann, ist der Fleischkonsum sogar immer eine bewusste Entscheidung: Man legt sich die Tierteile bewusst in den Einkaufswagen, bestellt sich im Restaurant bewusst ein Gericht, dass sie enthält, oder legt sie sich zuhause bewusst auf den Teller. Spätestens in dem Moment, wo man den Mund öffnet und sie hinein führt ist man auch dafür verantwortlich.

Ich hoffe, dass beim Thema Fleischkonsum irgendwann ein ähnlicher gesellschaftlicher Bewusstseinswandel stattfindet, wie er beim Thema Gewalt in der Kindererziehung schon mehrheitlich erfolgt ist. Genauso wie es heute vielen älteren Menschen mittlerweile peinlich ist, dass sie ihre inzwischen erwachsenen Kinder noch körperlich gezüchtigt haben, ist es mir mittlerweile peinlich, dass ich noch so lange ein Tierverbraucher war.

Ach ja: Also wie reagiere ich nun auf den Satz "Ich esse nur noch selten Fleisch"? Meistens kommentiere ich das gar nicht, denn wenn ich mich hier lobend oder positiv erfreut äußern würde, wäre das nach dem, was ich inzwischen über das Thema alles gelernt habe, pure Heuchelei. Die richtige Menge Fleisch für die menschliche Ernährung liegt exakt bei Null. Um niemanden vor den Kopf zu stoßen, versuche ich mir zumindest ein Lächeln abzuringen, aber es ist eher ein Lächeln des Mitleids mit der menschlichen Schwäche und Inkonsequenz, von der ich mich wohlgemerkt selbst auch nicht frei spreche, derer ich mich aber zumindest in diesem Punkt nicht mehr schuldig mache.

1 Kommentar:

  1. Ich finde deinen Vergleich super ausgewählt! Ich hoffe mit dir, das dieser Bewusstseinswandel bald stattfindet.
    Danke für deinen tollen Beitrag, ich hoffe viele lesen ihn und kommen zum Nachdenken...

    Grüßle, Jessi

    AntwortenLöschen