Samstag, 8. Juni 2013

Auch Veganer sind Omnivoren - aber keine Tierverbraucher

Bevor sich jetzt jemand aus der Veggie-Gemeinde über den ersten Teil der Überschrift dieses Posts aufregt: Ich behaupte weder, dass vegan lebende Menschen Tierisches essen, noch dass sie es müssen.

Ich möchte aber auf eine in dieser Veggie-Gemeinde verbreitete schlechte Begriffswahl hinweisen (derer ich selbst auch schuldig bin) und eine Alternative vorschlagen. Und diese schlechte Begriffswahl ist für mich die Bezeichnung von Nicht-Veggies als "Omnivoren" oder kurz "Omnis". (Ich bin mir dessen übrigens auch erst durch den Vortrag von Prof. Melanie Joy im Kölner Stollwerck bewusst geworden.)

Diese Benutzung des Begriffs "Omnivoren" ist deshalb falsch, weil auch Veganer und Vegetarier biologisch gesehen Omnivoren sind. Dies heißt übrigens auch nur, dass sie sowohl pflanzliche als auch nicht-pflanzliche Nahrung verdauen können, keineswegs jedoch, dass sie es auch müssen. Selbst die fleischessenden Mitmenschen in unserer Gesellschaft gehen ja im Normalfall nicht davon aus, dass ihre Ernährung ohne Insekten und Maden unvollständig ist, obwohl auch so etwas auf dem Speiseplan der meisten biologischen Omnivoren steht. "Omnivore" ist also wie "Carnivore" und "Herbivore" ein Begriff, der lediglich eine gesamte biologische Spezies nach dem kategorisiert, was sie zu verdauen in der Lage ist.

Genau der Begriff des "Omnivoren", der auch ein Merkmal der Spezies Mensch beschreibt, war es übrigens, der mich jahrzehntelang davon abgehalten hat, meinen Konsum von Tierleichenteilen und anderen Tierprodukten zu hinterfragen. Ich hatte zwar immer zumindest in einer hinteren Ecke meines Bewusstseins ein ungutes Gefühl, wenn bei mir etwas vom toten Tier auf dem Teller lag, habe mich dann aber stets damit beruhigt, dass ich als Mensch eben ein Omnivore sei und dies somit einfach dazugehöre. Damit habe ich den Fleischkonsum vor mir selbst als "normal" und "natürlich" gerechtfertigt, mich also in genau dem Glaubenssystem bestärkt, welchem Melanie Joy mit "Karnismus" endlich einen Namen gegeben hat.
Inzwischen ist mir ja sogar klar geworden, dass eine vollwertige, rein pflanzliche Ernährung (jedenfalls ohne aus Pflanzen erzeugten Junk wie Öl, Zucker und Weißmehl), nicht nur nicht gesundheitsschädlich ist, sondern einen vor Herzinfarkt und Typ-II-Diabetes sicher schützt und das Risiko diverser Krebserkrankungen signifikant senkt. (Und damit das Beste ist, was man noch vor Sport, Nikotin- und Alkoholverzicht für seinen Körper und somit sich selbst tun kann.)
Der Begriff "Omnivore" für Nicht-Veggies verschleiert also, dass man als Mensch eine Wahl hat, ob man andere fühlende Wesen für den eigenen Genuss leiden lässt oder nicht.

Nun könnte man Nicht-Veggies statt als "Omnivoren" auch als "Karnisten" bezeichnen (zumindest "Fleischisten" habe ich schon auf diversen Vegan-Blogs gelesen), um deutlich zu machen, dass diese sich eben auch entsprechend einer Ideologie verhalten, auch wenn diese so allgegenwärtig ist, dass sie damit schon wieder größtenteils unsichtbar wird. Prof Melanie Joy wäre mit dieser Ableitung des Begriffs aber wohl nicht einverstanden, da es ihr nicht um eine Frontenbildung zwischen Veggies und Nicht-Veggies und auch nicht um eine Anklage der letzteren geht. Sie will lediglich das Glaubenssystem "Karnismus" sichtbar machen, damit jeder Mensch die Möglichkeit bekommt, sich in einer freien Entscheidung von diesem System loszusagen. Da dieses System meist weitgehend unsichtbar bleibt, wäre die Bezeichung einzelner als "Karnisten" auch unfair. Jemand, der in einem kulturellen System aufwächst, dass bereits den Rahmen des Denkbaren festlegt und damit alles außerhalb als nicht zulässig denkbar definiert, hat oft gar nicht die Möglichkeit, daraus auszubrechen.

Mein Alternativvorschlag für die künftige Bezeichnung von Nicht-Veggies lautet daher "Tierverbraucher" oder "Tierkonsumenten". Dieser Begriff macht deutlich, dass dem "Tierverbrauch" eine Entscheidung zugrunde liegt, klagt jedoch nicht an. Er hebt auf sachliche Art den Schleier vom System des Karnismus, dass diesen Konsum als nicht hinterfragbar erscheinen lassen soll.

Er lässt sich sogar auf die inkonsequenten "Vegetarier" anwenden, die über den Konsum von Eiern und Tiermilch eben auch zum "Tierverbrauch" beitragen.

Also: Das Gegenteil von Veganerinnen und Veganern bzw. konsequenten Vegetariern (die vielleicht noch Honig, aber eben keine Eier und keine Tiermilch konsumieren) sind nicht "Omnivoren", sondern "Tierverbraucher".

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