Sonntag, 9. Juli 2017

Kein Öl! Auch kein Kokosöl!

Kokosöl und Kokosfett sind Beispiele für Trendnahrungsmittel, deren gesundheitsschädliche Wirkungen alles andere als "trendy" sind. Als rein pflanzliches (aber eben nicht vollwertiges) Nahrungsmittel führt es auch Veganerinnen und Veganer auf Abwege, die zu Herzinfarkt und Schlaganfall führen können.

Die Sucht nach Fett scheint bei vielen Menschen so groß zu sein, das sie zu immer neuen Formen von extrahierten und konzentrierten Fetten greifen, die nun aber wirklich gesund sein sollen. Der neueste Hype dabei ist Kokosfett, das sich in seinen Koch- und Backeigenschaften wie Butter verhält, aber im Gegensatz zu dieser rein pflanzlich ist. Auch steuert es einen Eigengeschmack bei, der für süßes Backwerk besser passt als z.B. der von Olivenöl. Damit ist es natürlich gerade für vegan lebende Menschen äußerst verführerisch. Leider kann es aber ebenso wie alle anderen extrahierten Öle und Fette die möglichen gesundheitlichen Vorteile einer pflanzlichen Ernährungsweise zunichte machen.

Wer Dr. Esselstyns Studien, sein Buch "Essen gegen Herzinfarkt" (original "Prevent and Reverse Heart Disease") oder meine Berichte (z.B. hier, hier und hier) darüber kennt, wusste ja schon, dass es keine gesundheitsförderlichen extrahierten Öle oder Fette gibt, und dass man sich nur mit dem Verzicht auf sie (und auf Tierprodukte) statistisch sicher vor Herzinfarkt und ischämischem Schlaganfall schützen kann. Seinen Bedarf an den essenziellen Omega-3-Fettsäuren kann man mit vollwertig pflanzlichen Lebensmitteln wie geschroteten Leinsamen, Chiasamen, Hanfsamen oder Walnüssen wunderbar abdecken ohne damit seine Arterien zu beschädigen und die ebenfalls essenziellen Omega-6-Fettsäuren bekommt man über Vollgetreide- und Sojaprodukte ohnehin in ausreichendem Maße. Wer sich ein paar Wochen vollwertig pflanzlich ohne extrahierte Öle und Fette ernährt, wird zudem merken, dass die "Fettsucht" verschwindet und man im Gegenteil bald einen Widerwillen gegen alles Fetttriefende entwickelt. In dem Sinne musste Dr. Esselstyn schon gegen den ungerechtfertigt guten Ruf von Olivenöl anschreiben und -sprechen, das zwar weniger gesundheitsschädlich als Butter mit ihren gesättigten Fettsäuren ist, aber damit natürlich noch lange nicht gesundheitsförderlich.

Gibt man aber der Sucht zu Fettigem nach und greift nun neuerdings zum angeblichen Superfood Kokosöl, treibt man allen Wunderberichten zum Trotz den Teufel mit dem Beelzebub aus. Dies hat jetzt auch ein Artikel der American Heart Association noch einmal klar gestellt. Auch Dr. Greger zitiert bei Nutrition Facts eine Interventionsstudie, welche zeigt, dass Kokosöl und Butter zu gleich hohen Cholesterinwerten führen. In einem anderen Video zeigt er, dass die Lebensmittelindustrie bei Kokosfett ähnliche Strategien zur Irreführung der Verbraucherinnen und Verbraucher wie bei Fleisch verwendet, um die mit den entsprechenden Produkten verbundenen Gesundheitsrisiken herunterzuspielen:


Was von den ganzen angeblich durch Studien belegten Wunderwirkungen von Kokosöl und Kokosfett gegen Demenz und Karies und Sonstiges zu halten ist, hat übrigens die Verbaucherzentrale Hamburg in einem schönen Online-Artikel zusammengefasst.

Der Grund für die schädliche Wirkung von Kokosfett auf Cholesterinwerte und Arterien ist natürlich ganz einfach: Kokosfett hat einen sogar noch höheren Anteil an arterienschädlichen gesättigten Fettsäuren als Butter. Nun gibt es ja auch noch immer Zeitgenossinen und -genossen, die den Zusammenhang zwischen gesättigten Fetten einerseits und hohem Cholesterin und Herzkrankheiten andererseits bestreiten, entweder weil sie damit Bücher verkaufen können, dass sie den Menschen Gutes über ihre schlechten Gewohnheiten erzählen, oder weil sie eben Gutes über ihre schlechten Gewohnheiten erfahren und glauben wollen. Das ist sozusagen die medizinische und ernährungswissenschaftliche Entsprechung zu den Klima-"Experten" und ihrem Publikum, die einen Zusammenhang zwischen menschengemachtem CO2 und globaler Erwärmung bestreiten. In einem weiteren Video zeigt Dr. Greger auf, wie dabei die wissenschaftliche Methode missbraucht wird, um Zweifel bei Verbraucherinnen und Verbrauchern zu säen und sie davon abzuhalten, für sie schädliche Produkte zu vermeiden. Für die, die des Englischen nicht so mächtig sind, stelle ich die wichtigsten von Dr. Greger geschilderten Sachverhalte in den nachfolgenden Abschnitten noch einmal auf Deutsch und in meinen Worten dar.

Gerade Low-Carb- und Paleo-Anhänger berufen sich immer wieder gerne auf eine Meta-Studie von 2010 durch Siri-Tarino, Sun, Hu und Krauss im American Journal of Clinical Nutrition, die mehrere Bevölkerungsstudien zusammenfasst, und zu dem Ergebnis kommt, dass in diesen kein Zusammenhang (der in Statistik-Chinesisch als "statistisch signifikante Korrelation" bezeichnet wird) zwischen der Nahrungsaufnahme von gesättigten Fetten einerseits und Cholesterinwerten andererseits besteht. Wie kann das sein? Seit Jahrzehnten wurden hunderte von kontrollierten Interventionsstudien veröffentlicht, die zeigen, dass der Cholesterinspiegel jedes Menschen innerhalb von Wochen steigt, wenn man ihm mehr gesättigte Fette zu essen gibt, und dass er innerhalb von Wochen wieder sinkt, wenn man die gesättigten Fette in seinem Essen wieder reduziert. Es gibt dafür sogar eine Formel, die Hegstedt-Gleichung, mit der die Änderung im Serum-Cholesterin aus der Änderung der gegessenen gesättigten Fette berechnet werden kann. Wer ein Cholesterinmessgerät bei sich zu Hause hat, kann es an sich selbst ausprobieren. Außerdem gibt es weitere hunderte kontrollierte Interventionsstudien, die ebenso zeigen, dass mit dem Cholesterinspiegel auch das Herzinfarktrisiko von Patienten sinkt, wenn sie die gesättigten Fette in ihrem Essen reduzieren.

Und nun kommt eine Studie, sogar eine Meta-Studie, also eine Studie, die viele andere Studien zusammenfasst, und widerlegt die Ergebnisse von Hunderten über mehrere Jahrzehnte durchgeführten Studien, die klar einen Zusammenhang zwischen gesättigten Fetten und Herzinfarktrisiko aufzeigten?

Natürlich nicht. Die Meta-Studie von Siri-Tarino, Sun, Hu und Krauss wurde einfach bewusst von Anfang an so entworfen, dass schlicht kein Zusammenhang festgestellt werden konnte. Gerade Bevölkerungsstudien innerhalb von Bevölkerungsgruppen mit relativ homogenen Essgewohnheiten sind nämlich nicht geeignet, diesen Zusammenhang aufzuzeigen. Das liegt daran, dass die Schwankungsbreite der Cholesterinwerte (in Statistik-Chinesisch die Varianz) innerhalb solcher Bevölkerungsgruppen genetisch bedingt recht groß ist. Auch zwei Menschen, die das vollkommen Gleiche essen, können durch ihre verschiedenen Anlagen völlig verschiedene Cholesterinwerte haben. Die Änderungen in den Cholesterinwerten, wenn sie mehr oder weniger gesättigte Fette essen, sind im Vergleich zu den Unterschieden zwischen den einzelnen Menschen eher gering. Die hohe Varianz bei den absoluten Cholesterinwerten erzeugt also ein "Grundrauschen", in dem die individuellen Änderungen in Abhängigkeit vom Konsum gesättigter Fette untergehen. In Statistik-Chinesisch sagt man, dass Bevölkerungsstudien nicht die statistische "Power" haben, um diesen Zusammenhang zu belegen. Ein guter Wissenschaftler weiß also von vorneherein, dass hier schon rein mathematisch nichts zu holen ist.

In dem Zusammenhang ist es sicher interessant zu wissen, dass der Co-Autor Dr. Robert M. Krauss für seine Forschungen großzügig mit Geldern des National Dairy Councils, also dem amerikanischen Milchverband, sowie der National Cattlemen's Beef Association, also dem amerikanischen Rinderzuchtverband unterstützt wird. Die Autoren der Meta-Studie haben nicht im technischen Sinne gelogen. Sie haben lediglich genau die Art von Studien, die keinen Beleg für die Schädlichkeit gesättigter Fette finden konnte, zu einer Meta-Studie zusammengefasst, aus der sich dann logischerweise ergab, dass sich kein Beleg für die Schädlichkeit gesättigter Fette finden ließ.

Nach der gleichen problematischen Methode wurde dann 2014 im Journal Annals of Internal Medicine noch einmal mit einer weiteren Meta-Studie nachgelegt, wobei hier als Autor Dr. R. Chowdhury und als ein Co-Autor Dr. Dariush Mozaffarian firmieren. Diese Studie wurde wegen ihrer methodischen Mängel von der Fachwelt zerrissen bis hin zu Forderungen, das Magazin möge sie widerrufen. Von Dr. McDougall gibt es übrigens einen eigenen Artikel, der die methodischen Fehler beider Studien heraus arbeitet.

Letztlich geht es der Nahrungsmittelindustrie darum, die Verbraucherinnen und Verbraucher zu verwirren. Bei ihnen bleibt hängen, dass es zu allen Studien ja auch Gegenstudien gibt und sie entscheiden sich dann einfach für das Produkt, das ihnen schmeckt und von dem sie glauben können, dass es ihnen nicht schadet, auch wenn es das objektiv tut. Dr. Greger vergleicht dies zum Schluss seines Videos mit der früheren Strategie der Tabakindustrie, die sich ebenfalls ihre Studien kaufte und intern den Zweifel als ihr eigentliches Produkt bezeichnete.

Nun, wenn Sie, liebe Leserin und lieber Leser, nun auch zweifeln, ob man denn dem Autor dieses Blogs etwas glauben soll, obwohl anerkannte Wissenschaftler etwas anderes sagen, verweise ich einfach zum wiederholten Mal auf die jüngste Studie von Dr. Esselstyn, die zweifelsfrei zeigt, dass ein Verzicht auf Tierprodukte und extrahierte Pflanzenfette und Öle Sie vor einem Herzinfarkt und vermutlich auch vor ischämischen Schlaganfall schützen kann. So kann man sich alle Streitereien, welche Art von Fett denn nun die beste oder die schädlichste ist, einfach sparen. Machen Sie wie inzwischen mehrere Menschen aus meinem Kollegen- und Bekanntenkreis (z.B. J. Bemmé) einfach den Selbsttest: Gehen Sie in eine Apotheke oder zum Arzt und lassen Sie Ihren Cholesterinwert bestimmen. Nun ernähren Sie sich drei Wochen lang vollwertig pflanzlich und ohne extrahierte Öle und Fette. Anregungen und Rezepte dazu finden Sie hier auf meinem Blog oder auch inzwischen in mehreren auf deutsch erschienenen Kochbüchern, wie z.B. "Essen was das Herz begehrt" der Familie Esselstyn. (Wenn Ihnen das zu kompliziert ist, essen Sie einfach drei Wochen lang nur Haferbrei mit frisch geschroteten Leinsamen zum Frühstück, sowie gegarte Kartoffeln, gegarten Reis und gegarte Bohnen -je nach Bedarf mit etwas Ketchup- zum Mittag- und Abendessen. Etwas buntes Gemüse sollte auch dabei sein.) Nach diesen drei Wochen gehen Sie wieder in die Apotheke und lassen erneut ihren Cholesterinwert bestimmen. Vermutlich werden Sie ebenso wie in allen mir bisher persönlich bekannten Fällen nicht nur einen deutlich gesunkenen Cholesterinwert aufweisen, nach Dr. Esselstyn können Sie sich auch daran erfreuen, nun gegen die Todesursache Nummer Eins, nämlich koronare Herzerkrankungen, immun zu sein. Herzlichen Glückwunsch! Übrigens freue ich mich jederzeit über Erfahrungsberichte egal welchen Ausgangs.

2 Kommentare:

  1. Nun, wie immer ist es eine Frage der Menge. Dies gilt für alle Stoffe die sich für die Gesundheit negativ auswirken können.
    Mir fällt auf , dass Veganer bei mangelnder Bewegung, psychischem Druck und anderes , genau die gleichen Krankheitszeichen aufweisen, wie Nichtverganer. Krankheiten die eigentliche durch die Vegane-Ernährungsweise vermieden werden sollten.
    Basis für eine gesunde Ernährung ist das Wissen um die Verstoffwechselung der zugeführten Stoffe im Körper. Und da gilt zu beachten dass es die jeweiligen Kombinationen von Eiweissen, Kohlenhydrate, Viatmine, Spurenelemente, ungesättigten Fettsäuren u.a. sind, die entsprechende Stoffwechselprodukte bilden und für einen gesunden Körper (gilt für alles was in uns drinsteckt) sorgen. Dazu gesellt sich aber auch ausreichende Bewegung (Und ausreichen bedeutet viel mehr als algemein angenommen, ein bisschen Radeln hilft da wenig! und schon gar nicht mit E-Bike) , erhalten einer inneren Balance, Ausgeglichener Psychischer zustand.
    Ich bin nicht Veganer, habe aber einen Freundeskreis von Veganern, die bei mir das abschauen was generell vernachlässigt wurde, und auch etwas über meinen Gesundheitszustand wundern, als Mensch der zur Gruppe der alles Esser in Massen gehört. Das einzige dem ich beachtung schenke ist die basische Verstofwechselung. Ich stelle nach möglichkeit mein Essen so zusammen dass immer ein leicht basischer Überschuss besteht. Und fahre damit bestens. ich verwende keine Zusatzprodukte in form von Salzen u.a. um den Säure / Bsasewert zu korrigieren.

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    1. Vielen Dank für den Kommentar. Nun, ich glaube, dass man Stoffe, die man nicht benötigt und die sich negativ auf die Gesundheit auswirken können, am besten ganz vermeidet. So sollte man ja auch Zigaretten am besten ganz vermeiden, auch wenn z.B. eine Zigarette am Tag die allermeisten Menschen nicht umbringen würde. Es gibt genauso wenig Grund Kokosöl, Fleisch oder Schokoriegel zu konsumieren wie es Grund zum Rauchen gibt. Alles davon kann schaden, nichts davon ist nötig.
      Viele Menschen werden übrigens erst mit einem Wechsel auf eine vollwertig pflanzliche Ernährung auch körperlich aktiv, weil die ihnen einen regelrechten Energieschub gibt. (Tierische Produkte und Fette liegen schwer im Verdauungssystem und wirken insofern eher lähmend.) Man denke etwa an Rich Roll, der fünf Iron-Man-Triathlons innerhalb von sieben Tagen schafft.

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